US-Präsident Barack Obama bereitet seinen politischen Nachlass vor. Zeit für eine kritische Bilanz seiner Außenpolitik.
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Barack Obama ist ein Präsident auf Abruf - eine "lame duck", wie man in den USA zu sagen pflegt. Der US-Senat blockiert beharrlich Reformen, in der Tagespolitik gibt es kaum noch Gesetze, die sich durchsetzen ließen. Also nutzt der Friedensnobelpreisträger seinen außenpolitischen Handlungsspielraum,
um noch Politik für die Geschichtsbücher zu machen: der historische Besuch auf Kuba, der Handschlag mit Irans Außenminister Mohammad Javad Zarif, die Schließung des Gefangenlagers Guantánamo.
Letzteres war ein zentrales Versprechen Obamas, und daran wird sich seine Präsidentschaft messen lassen müssen. Chronisten fragen sich schon jetzt, wie der 44. Präsident der USA in die Geschichtsbücher eingehen wird. Eines ist schon sicher: Er wird nicht als der beliebteste in Erinnerung bleiben.
Das Ende seiner Präsidentschaft bietet Anlass für eine kritische Bilanz seiner Amtszeit. Jeffrey Goldberg hat im linksliberalen Magazin "The Atlantic" einen sehr persönlichen, wohlwollenden und ausführlichen Artikel mit dem Titel "The Obama Doctrine" verfasst. Er beschreibt Obama darin als einen analytischen Kopf, der in der "Air Force One" über Hobbes und Leviathan doziert und mit realistischen Ansätzen an internationale Beziehungen und Konflikte herangeht.
Die Obama-Doktrin, die durch außenpolitische Zurückhaltung und Verhandlungen charakterisiert ist, wurde auch unter dem Rubrum "Leading from behind" oder - etwas vulgärer - "Don’t do stupid shit" gefasst. Dies wurde ihm oft als Führungsschwäche ausgelegt.
"Was rechte Kritiker als Politik des Niedergangs verdammen, kann auch als vernünftiges Navigieren in einer zunehmend komplexen Welt verstanden werden", kommentierte Eric Frey im "Standard". "Managen statt führen ist die Devise dieses Präsidenten." Soweit die Theorie.
Diesem Befund liegt jedoch ein doppelter Irrtum zugrunde: Erstens versteht sich Obama als Anhänger der realistischen Schule, die in Macht- und Einflusssphären denkt. Zweitens hat sich Obamas Außenpolitik nicht als "vernünftiges Navigieren", sondern als ein ständiges Lavieren erwiesen. In Libyen intervenierte der US-Präsident kopflos, ohne einen Post-Konflikt-Plan zu haben (was Obama später als Fehler einräumte). In Afghanistan zog er überstürzt die Truppen ab, was zu weiterer Instabilität führte. Und in Syrien bezeichnete er den Einsatz von Giftgas als "rote Linie", deren Überschreiten jedoch keine Konsequenzen nach sich zog. Das fügte der Autorität der USA in der internationalen Arena schweren Schaden zu. Eine Supermacht, die nicht entschieden sanktioniert, öffnet den Korridor für eine andere: Russland, das in Syrien seinen Bundesgenossen Bashar al-Assad stützen und die Fronten neu ordnen konnte.
Der Webfehler der Obama-Doktrin ist, dass das Gebot der militärischen Zurückhaltung die (Opportunitäts-)
Kosten militärischer Interventionen jedes Mal aufs Neue erhöht. Die USA werden auf Dauer zum Zaungast internationaler Konflikte. Das kann nicht im Interesse einer Weltmacht sein. Die Amerikaner erwarten von ihrem Oberbefehlshaber Führungs- und keine Managementfähigkeiten. Die Rolle der USA in der Welt ist unter Obama schwächer geworden.