Zum Hauptinhalt springen

Die Feministinnen am rechten Rand

Von Jan Michael Marchart

Politik

Politikerinnen wie Petry, Le Pen und Rosenkranz predigen ein radikal konservatives Frauenbild. Was hat es mit diesem Widerspruch auf sich?


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien.Der Feminismus ist für Barbara Rosenkranz ein Irrweg. Das sagte die Freiheitliche im Jahr 2010 bei ihrer Präsidentschaftskandidatur. Damit meint sie das "Gender-Mainstreaming", erdacht von einer seltsamen Troika aus Emanzen, Marxisten und Kapitalisten, das einen "geschlechtslosen Menschen" erschaffe, wie es in ihrem 2008 erschienenen Buch "MenschInnen" heißt. Quoten sieht sie in der deutschen Wochenzeitung "Zeit" als Gewalt an Frauen, die nur die Wettbewerbsregeln lernen müssten, um in der Welt zu bestehen. Gemeinsam mit ihrem Mann Horst Jakob wetterte Rosenkranz jahrelang gegen Zuwanderung, Islam, Homosexuelle und Emanzen und kämpfte für den Erhalt der Familie. "Ich bin eine Frauenrechtlerin", sagt Rosenkranz zur "Wiener Zeitung". "Nur mit einem vernünftigen Zugang." Ist das der oft genannte Feminismus von rechts?

Überall in Europa sind rechtspopulistische Parteien und Bewegungen erfolgreich. Frauen sind dort durchaus prominent vertreten und mindestens so taff wie ihre männlichen Vorgänger. Marine Le Pen übernahm den Front National aus Frankreich von ihrem Vater, den sie später wegen seiner antisemitischen Parolen aus der Partei schmiss. Die Deutsche Frauke Petry setzte sich gegen AfD-Parteigründer Bernd Lucke durch und sich an die Spitze der Fraktion. Die Dänin Pia Kjærsgaard leitet zwar nicht mehr die Dansk Folkeparti, ist dort aber noch wertepolitische Sprecherin. Wertvoll bezeichnete sie Vertreter einer muslimischen Gemeinde als "Unkrautsamen, die über unsere Grenzen geweht sind". Siv Jensen ist seit 2006 Vorsitzende der Fremskrittspartiet in Norwegen, und auch Anke Van dermeersch vom belgischen Vlaams Belang ist im Rechtspopulismus gut verankert. Mäßig erfolgreich in ihrer Partei Forza Italia, aber durch ihren Namen bekannt, ist Alessandra Mussolini, Enkeltochter des früheren Diktators Benito Mussolini. Dessen faschistisches Regime lobt und verteidigt sie bei jeder Gelegenheit. "Besser Faschistin als schwul", sagte sie einmal.

Die selbstbestimmten Frauen des Rechtspopulismus sind in Parteien, die nicht nur eine rassistische Migrationspolitik und einen Ausstieg aus EU und Euro postulieren, sie stehen auch für eine antifeministische Politik. Sie bekämpfen staatliche Maßnahmen zur Gleichstellung, sie wollen die Straffreiheit für Abtreibungen abschaffen, sexuelle Aufklärung ist für sie eine gefährliche Moral. Selbstbestimmte Weiblichkeit trifft auf Rassismus, Homophobie und die Angst, dass der "Genderwahn" die Geschlechterrollen und damit auch das traditionelle Familienbild unterwandert. Feminismus kann man das wohl kaum nennen.

Frauen wie Le Pen, Petry oder Rosenkranz machte die Frauenbewegung aber überhaupt erst möglich. Das Recht zu wählen und zu kandidieren, ermöglichte ihnen hochrangige politische Positionen, die wenige Generationen vor ihnen noch ausschließlich Männern vorbehalten waren. Sie profitieren von einer politischen Bewegung, die sie heute hart bekämpfen.

Die deutsche Sozialforscherin Michaela Köttig sieht dieses Phänomen differenziert. "Das Problem ist, dass wir den Milieus ein konkretes Frauenbild zuweisen", sagt Köttig. "Aber die gelebte Realität ist auch in rechten Milieus unterschiedlich." Unter den Rechtspopulisten gebe es die ganz traditionellen Frauen, die viele Kinder haben und sich um den Haushalt kümmern, und jene, die sich eher emanzipatorisch dafür einsetzen, dass geschlagene Frauen in Frauenhäuser gehen können, oder dafür, um gemeinsam mit den Kameraden auf der Straße kämpfen zu können. Köttigs Arbeit habe gezeigt, dass auch Väter aus rechten Milieus daheim bei den Kindern bleiben oder sich eng mit ihnen beschäftigen. "Davon haben wir auch keine Vorstellung."

Natürlich gebe es in der rechten Szene die Hetze gegen Feministinnen und die Rechte sei keine Gruppierung, in denen fortschrittliche Frauen mit "offenen Armen" empfangen werden, so Köttig. Aber Frauen bieten für rechte Parteien und Organisationen das Potenzial, sich zu vergrößern. Darum gehe es.

Laut einer Umfrage der französischen Politikwissenschafterin Nona Mayer wirken Frauen wie Le Pen gesellschaftlich nach wie vor wie ein "Weichzeichner", weil die alten Vorurteile wirken. Frauen machen den Rechtspopulismus Mitte-fähiger.

Der Rechtspopulismus bleibt aber eine Männerdomäne, auf dem Wahlzettel und in den Parteien. Er gilt als Ideologie der Stärke, Macht und Dominanz, die an traditionelle Männerbilder andockt. Weil viele Jungen nach wie vor traditionell sozialisiert werden, gelten sie als empfänglicher für solche Ideologieangebote als Frauen, erklärt die deutsche Sozialwissenschafterin Renate Bitzan gegenüber der deutschen Bundeszentrale für politische Bildung.

Dass Frauen "naturgemäß" linken, feministischen Gruppierungen zugetan wären, beruht aber auf dem gleichen Pauschalurteil, das sie automatisch als mütterlich, zurückhaltend und friedfertig beschreibt. Bitzan sagt, dass die Studien, die es zu Rechtsextremismus und Geschlecht gibt, alle aussagen, dass es nur einen Punkt gebe, bei dem Frauen regelmäßig deutlich weniger zustimmen: bei der Akzeptanz von Gewalt. Bei der Einstellung in Sachen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Islamophobie oder Homophobie "liegen Frauen und Männer im Großen und Ganzen ziemlich gleichauf".

Seit dem Ausbruch der Migrationskrise haben auch Rechte einen Zugang zum Feminismus gefunden: Die heimische Frau sei vor dem muslimischen Mann zu schützen. Unser Status der Gleichstellung, heißt es plötzlich, sei durch den frauenfeindlichen Islam in Gefahr. Dieses Argument wird wirkungsmächtiger, wenn es von Frauen wie Le Pen vorgebracht wird. Kampagnen gegen das Kopftuch als Symbol der Unterdrückung finden breite Zustimmung. Die Linke fand bisher keine adäquate Gegendarstellung. "Das mit den Frauen in der Politik wird sich nicht halten, das geht zurück. Sie werden sehen", sagte der frühere FPÖ-Parteichef Jörg Haider 1984. Damals war nur eine Frau im blauen Klub. Heute sind es sieben. Im Vergleich zu anderen Parteien sind Frauen in der FPÖ aber immer noch eine Minderheit.

Für Barbara Rosenkranz und FPÖ-Frauensprecherin Carmen Schimanek kommt die Frauenpolitik in der Partei neben dem Dauerbrenner Asyl nicht zu kurz. Es werde nur nicht darüber berichtet, "weil es von uns kommt".

Die blauen Frauen kämpfen gegen den "Genderirrsinn", der den Menschen ändern möchte und nicht die Umstände, wenn er über Quoten Frauen in technische Berufe zwinge. Männer und Frauen seien verschieden. So auch ihre Interessen. "Wahlfreiheit" sei das blaue Prinzip.Für Rosenkranz und Schimanek sind die Frauen relevant, die es nach der Karenz schwer haben, in den Beruf zurückzukehren.

Am Familienbild möchten sie nichts ändern. Von Feministinnen werde Müttern heute eingeredet, die Karenz möglichst kurz zu halten. "Das stehe ihnen nicht zu", so Rosenkranz. "Wenn sich Frauen für Kind und Familie entscheiden, muss das möglich sein." Schimanek: "Bei Welpen schauen wir darauf, dass sie möglichst lange bei der Mutter bleiben, bei unseren Kindern sind wir nachlässig."

Bei Aussagen aus der blauen Vergangenheit sind die FPÖ-Frauen wortkarger. Wenn eine Obfrau aus Amstetten sagt, dass Frauenhäuser "Ehen zerstören", ist das "ihre Meinung". Wenn die jungen Blauen eine Frau so gut wie nackt plakatieren, weicht man aus. Nur Rosenkranz sagt: "Mit dem gezielten Überschreiten der politischen Korrektheit hat Trump die Wahl gewonnen, oder nicht?"