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Der Aufschrei in den Boulevard-Medien war groß: "Fußfessel statt Haft für Sextäter", "Vergewaltiger trotz Rückfallgefahr in Freiheit" oder "Vergewaltiger muss keinen einzigen Tag in Haft" wurde getitelt. FPÖ und BZÖ zeigten sich empört - und Opferschutzvertreter sehen im Urteil des Linzer Oberlandesgerichts eine Verhöhnung des Opfers.
Noch einmal kurz zusammengefasst: Ein Hundeausbildner in Salzburg, der 2005 und 2006 ein damals 15- bzw. 16-jähriges Mädchen mehrfach vergewaltigt und sexuell missbraucht hatte, wurde zu zwei Jahren Haft verurteilt, davon acht Monate unbedingt. Weil er so viele Einsprüche erhoben hatte, war der Verurteilte nie in Haft. Und am Oberlandesgericht Linz wurde jetzt entschieden, dass er die Strafe zu Hause mit einer elektronischen Fußfessel verbüßen darf. Fast zeitgleich wird in Deutschland ein Fall bekannt, bei dem ein verurteilter Sexualstraftäter rückfällig geworden ist: Er soll eine Siebenjährige missbraucht haben - mit einer elektronischen Fußfessel am Bein.
Laut Experten traumatisiert sexuelle Gewalt die Betroffenen und zerstört das Vertrauen in die Welt. Das Wissen um frei herumlaufende Sexualtäter macht das sicherlich nicht besser. Und laut aktuellen Informationen befinden sich in Österreich derzeit vier Männer im elektronisch überwachten Hausarrest, die unter anderem wegen eines Sexualdelikts verurteilt wurden.
Die Rechtsexperten argumentieren die aktuelle Entscheidung damit, dass eine Beschränkung der Fußfessel auf bestimmte Straftäter mit dem in der Verfassung verankerten Gleichheitsgrundsatz schwer in Einklang zu bringen wäre. Außerdem enthalte das Gesetz "ausreichende Vorkehrungen", damit aufgrund "eingehender individueller Prüfung" nur solche Verurteilte in den Genuss der Fußfessel kämen, die keine Gefahr für andere Personen darstellen könnten, heißt es. Und laut Strafrechtsexperten ist die Rückfallgefahr eines Sexualstraftäters mit Fußfessel viel kleiner als nach drei Jahren Gefängnis.
Das hilft aber den Opfern herzlich wenig und sorgt bei den meisten Menschen für Unverständnis - zumal ein Abweichen vom Gleichheitsgrundsatz in einem anderen Bereich offenbar keine Probleme bereitet: Beamtenministerin Gabriele Heinisch-Hosek hat angekündigt, dass Beamte, die wegen Sexual- und Folterdelikten rechtskräftig verurteilt sind, künftig automatisch ihr Amt verlieren. Außerdem werden sie vom Dienst suspendiert, wenn gegen sie Anklage erhoben wird.
Und selbst wenn im aktuellen Fall der Opferschutz an der Verfassung scheitert; die Gerichte haben den Spielraum, sensibler zu agieren - ein Anrecht auf die Fußfessel gibt es nämlich nicht.