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Die Festnahme von Milosevic bringt auch Kroatien unter Druck

Von Zorislav Petrovic

Politik

Zagreb - Nach der Verhaftung von Slobodan Milosevic wächst der Druck auf Kroatien, das Vorgehen gegen mutmaßliche Kriegsverbrecher weiter zu intensivieren. Zwar arbeitet Zagreb seit der Machtübernahme von Präsident Stipe Mesic und Ministerpräsident Ivica Racan intensiv mit dem UNO-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag zusammen. Doch noch immer kann die nationalistische Rechte ernsthaften Widerstand gegen die Ermittlungen mobilisieren und die Regierung damit in Schwierigkeiten bringen.


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Die Untersuchungen erreichten in der Vorwoche ihren bisherigen Höhepunkt, als sich Generalstabschef Petar Stipetic zwei Tage lang den Fragen der Ermittler des Tribunals stellen musste. Die Tatsache, dass Stipetic Auskunft über die Vertreibung der kroatischen Serben im Zuge der Operationen "Blitz" und "Sturm" 1995 geben musste, sorgte in der rechtsextremen Kroatische Partei des Rechts (HSP) für enorme Aufregung. Parteichef Anto Djapic bezeichnete die Vernehmung von Stipetic als "gefährlicher" als den Fall des General Mirko Norac.

Dabei hatte die gerichtliche Vorladung von Norac im Februar Kroatien regelrecht erschüttert. 100.000 Menschen gingen auf die Straße, um den als "Kriegshelden" verehrten General zu verteidigen. Sie konnten damit aber nicht verhindern, dass Anfang März Anklage gegen Norac wegen Kriegsverbrechen erhoben wurde. Die Regierung sah sich allerdings veranlasst zu betonen, dass man ausschließlich individuelle Verantwortung anerkenne, nicht aber eine Kollektivschuld.

Die Ermittler des UNO-Tribunals wollten von Stipetic Auskunft über die Ereignisse in der Region Medak im September 1993. Nachrückende UNO-Schutztruppen fanden hier nach ihrem Einzug zur Trennung von Kroaten und Serben verbrannte Häuser und 18 Leichen. Den kroatischen Einheiten wird eine "Taktik der verbrannten Erde" vorgeworfen. Außerdem wurde Stipetic zur Vertreibung von Zivilisten aus Okucani bei der Operation "Blitz" und zu Luftangriffen auf den Ort Dvor na Uni während der Aktion "Sturm" 1995 befragt.

Stipetic war allerdings nachweislich an zwei der drei Vorfälle nicht beteiligt. Es wird daher vermutet, dass seine Befragung in Wirklichkeit nicht der Aufklärung konkreter Kriegsverbrechen diente, sondern ein Präzedenzfall geschaffen werden sollte: Wenn sogar der ranghöchste Soldat Kroatiens sich den Ermittlern des Tribunals stellt, gibt es für alle anderen Verdächtigen kaum mehr ein Ausrede. Gerüchten zufolge hat Stipetic seine Befragung selbst "eingeleitet".

Möglicherweise hat auch die kroatische Rechte erkannt, dass es immer schwerer wird, dem UNO-Tribunal zu entkommen. Die Vereinigung für den Schutz der Würde des Vaterlandes protestierte gegen die Vernehmung von Stipetic und warf der Regierung "Lügen" vor. Der Generalstabschef sei so wenig der Kriegsverbrechen schuldig, wie alle anderen kroatischen Militärführer, erklärte Mirko Condic, Vorsitzender des Verbandes. Und im übrigen: Wer wage es, einer siegreichen Armee Vorwürfe zu machen?

In dieser Logik lebte auch die frühere politische Führung um Präsident Franjo Tudjman. Wenn die Anhänger des alten Regimes auch immer mehr in die Defensive geraten, sind sie doch stark genug, die neue Führung in Schwierigkeiten zu bringen. Nach den Ereignissen in Belgrad in den vergangenen Tagen wird das Leben für die Regierung in Zagreb sicher nicht leichter.