Von den mehr als 1,8 Billionen Euro des nächsten EU-Finanzrahmens sollen 30 Prozent in klimaschutzrelevante Maßnahmen fließen. Aber es braucht auch private Investoren.
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Der mehrjährige EU-Finanzrahmen, auf den sich der Europäische Rat am 21. Juli verständigt hat, ist gemeinsam mit dem Aufbauinstrument "Next Generation EU" nicht nur mit Abstand der größte, sondern auch der grünste EU-Haushalt aller Zeiten: Von den mehr als 1,8 Billionen Euro für die kommenden sieben Jahre sollen 30 Prozent in klimaschutzrelevante Maßnahmen fließen. Das entspricht rund 540 Milliarden Euro oder 135 Prozent der jährlichen österreichischen Wirtschaftsleistung.
Trotz dieser beeindruckenden Zahlen ist klar: Um dem Klimawandel Einhalt zu gebieten, braucht es weit mehr. Wir werden das Ruder nur herumreißen können, wenn es gelingt, private Investoren an Bord zu holen. Die Finanzierung des grünen Wandels wird auch Thema beim Europäischen Forum in Alpbach sein - und ich freue mich sehr, vor Ort mitzudiskutieren.
Durch den europäischen Grünen Deal soll unser Kontinent bis 2050 klimaneutral werden. Um das zu erreichen, müssen wir den öffentlichen Verkehr ausbauen, die Renovierungswelle vorantreiben und massiv in erneuerbare Energien investieren - um nur ein paar Beispiele zu nennen. Das alles kostet Geld, bringt aber auch Arbeitsplätze. Der europäische Grüne Deal hat das Potenzial, eine Schlüsselrolle für die wirtschaftliche Erholung Europas zu spielen. Allein um in einem Zwischenschritt die Energie- und Klimaziele für 2030 zu erreichen, bedarf es jährlicher Investitionen von 260 Milliarden Euro. Und wenn wir - so wie geplant - das Ziel für die Senkung der Treibhausgasemissionen bis 2030 von derzeit 40 Prozent im Vergleich zu 1990 auf mindestens 50 oder gar 55 Prozent steigern, wird der Finanzbedarf entsprechend steigen.
Weltweit erste "grüne Liste"zu nachhaltiger Wirtschaft
Aber: Auch der Kreis der Investoren, die bei ihren Entscheidungen auf Kriterien wie Nachhaltigkeit achten, wächst stetig. Um das Potenzial auszuschöpfen, müssen sich die Finanzmärkte für den grünen Wandel rüsten. Die EU trägt das ihre dazu bei: So ist seit 12. Juli die Taxonomie-Verordnung in Kraft, welche die Europäische Kommission im Mai 2018 initiiert hat. Sie legt den Grundstein für die weltweit erste "grüne Liste" nachhaltiger Wirtschaftstätigkeiten und gibt Anlegern, die in klima- und umweltfreundliche Projekte investieren wollen, ein Klassifizierungssystem mit gemeinsamen Begrifflichkeiten an die Hand. Das schiebt grünem Etikettenschwindel einen Riegel vor.
Nachhaltigkeit ist kein Schönwetterbegriff, der sich am jeweiligen Breitengrad orientiert: Um Vertrauen bei den Anlegern zu schaffen, bedarf es von Helsinki bis Nikosia einheitlicher Kriterien, wann ein Projekt als nachhaltig gilt. Zudem erleichtert das Klassifizierungssystem grenzüberschreitende Investitionen und tritt Marktfragmentierung entgegen.
Ein weiterer derartiger Meilenstein wäre ein EU-weit einheitlicher Standard für grüne Anleihen. Dieser würde nicht nur der Umsetzung des Grünen Deals erheblich nützen, sondern auch die internationale Rolle des Euro stärken. Der Euro ist weltweit bereits die Hauptwährung für die Emission grüner Anleihen: Im Vorjahr wurde rund die Hälfte davon in Euro begeben - dabei ein Drittel durch Emittenten außerhalb des Euroraums. Die Europäische Kommission hat am 12. Juni eine öffentliche Konsultation zu einem EU-Standard für grüne Anleihen gestartet, die bis 2. Oktober läuft. Wir hoffen, dass sich viele Akteure einbringen.
Aktualisierte nachhaltige Finanzstrategie für Europa
Das Ergebnis der Befragung wird in die aktualisierte nachhaltige Finanzstrategie einfließen, die wir noch dieses Jahr präsentieren werden. Sie soll dazu beitragen, die richtigen Rahmenbedingungen für den Investitionsplan im Rahmen des Grünen Deals zu schaffen. Dieser zielt darauf ab, mit Unterstützung von EU-Finanzinstrumenten binnen zehn Jahren 1 Billion Euro an Investitionen zu mobilisieren.
Außerdem wird die Kommission 2021 einen Vorschlag für eine Revision der EU-Richtlinie über die nicht-finanzielle Berichterstattung vorlegen. Unternehmen sollen künftig besser über Tätigkeiten in Bereichen wie Umwelt und Soziales informieren. Für Investoren, die Wert auf Nachhaltigkeit legen, sind diese Informationen essenziell. Um zur Entwicklung der nachhaltigen Wirtschaft beizutragen, planen wir, diese Berichtspflichten auch auf europäischer Ebene zu verstärken.
Unmittelbar gilt es sicherzustellen, dass Unternehmen trotz der Corona-Krise Zugang zu Kapital haben. Vor diesem Hintergrund wurde am 24. Juli ein Maßnahmenpaket präsentiert, das gezielte Änderungen der Kapitalmarktvorschriften vorsieht. Diese sollen die Investitionen in die Wirtschaft ankurbeln, eine rasche Rekapitalisierung von Unternehmen ermöglichen und dazu beitragen, dass die Banken ihrer Rolle bei der Finanzierung der wirtschaftlichen Erholung gerecht werden. Im September werden wir dann einen umfassenden Aktionsplan für die Kapitalmarktunion vorlegen.
Die Notwendigkeit, einen Billionenbetrag in die wirtschaftliche Erholung zu investieren, gibt uns die Möglichkeit, unser Wirtschaftssystem stärker denn je in Richtung Nachhaltigkeit auszurichten. Mit den richtigen Maßnahmen können wir jetzt sicherstellen, dass sich die hohen Summen, die wir in Europa für den wirtschaftlichen Aufbau zahlen, bezahlt machen - über Generationen hinweg.