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Die Fliehkräfte nehmen zu

Von Ronald Schönhuber

Politik
Die Queen bei einem Besuch in Nigeria 1956.
© getty / Hulton-Deutsch

Mit sanfter Bestimmtheit hat sich die Queen gegen die Erosion des Empires gestemmt. Mit Charles dürfte in vielen früheren Kolonien nun die Debatte, wie zeitgemäß die Monarchie noch ist, hochkochen.


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Am 21. April 1947, ihrem 21. Geburtstag, hatte Prinzessin Elizabeth eine Radioansprache gehalten, die ihre sieben Jahrzehnte währende Regentschaft bestimmen sollte. Sie werde ihr ganzes Leben - sei es nun lang oder kurz - "dem Dienst an unserer großen, imperialen Familie, zu der wir alle gehören", widmen, erklärte Elizabeth in der im südafrikanischen Kapstadt aufgenommenen Rede.

Die Radioansprache der jungen Thronfolgerin sollte die Menschen in den Staaten des Commonwealth inspirieren und ihnen Mut machen, gleichzeitig aber auch auf eine Zeit des Übergangs vorbereiten. Denn das britische Empire, das nach den napoleonischen Kriegen zur dominierenden globalen Macht geworden war und Europa gerade erst vor der Dominanz durch Nazi-Deutschland bewahrt hatte, stand nun selbst vor existenziellen Herausforderungen. Die britischen Kolonien strebten nach Unabhängigkeit, die Welt war eine andere geworden.

Die supranationale Queen

Wie schnell dieser Umbruch vor sich ging, dürfte der jungen Elizabeth so richtig bewusst geworden sein, als sie im Februar 1952 auf einem Baum in Kenia sitzend vom Tod ihres Vaters George VI. erfuhr. Indien war zu diesem Zeitpunkt nicht nur seit fünf Jahren unabhängig, sondern auch eine Republik, in Kanada, Australien und Neuseeland war das Zugehörigkeitsgefühl zum "old country" spürbar gesunken. Der Commonwealth of Nations, ein 1931 gegründeter loser Staatenbund ohne formale Statuen und Verfassung, konnte den Zentrifugalkräften nicht entgegenwirken. Schon zum Zeitpunkt von Elizabeths Krönung 1953 war er mehr historische Reminiszenz als ein starkes einigendes Band mit der Krone.

Elizabeth stemmte sich dennoch mit sanfter Bestimmtheit gegen die nicht mehr aufzuhaltende Erosion des Empires. Die Königin reiste - am liebsten mit ihrer Yacht "Britannia" - in alle Winkel der Welt, um ihre Untertanen zu besuchen, an der Seite von Prinz Philip fuhr sie lautstark bejubelt im offenen Wagen durch die Ex-Kolonien. Dass die Queen bis ins hohe Alter an dieser Tradition festhielt, brachte ihr viele Sympathien ein. Wenn etwas die Idee eines Greater Britain aufrechterhalten hat, dann war es die über die Jahrzehnte zu einer supranationalen Figur und globalen Marke gewordene Königin.

Doch mit Elizabeths Tod vollzieht sich nun ebenso wie bei ihrer Thronbesteigung vor 70 Jahren eine Zeitenwende. Denn ob Charles III. als neuer König über das integrative Moment seiner Mutter verfügt, ist ungewiss - zumal sich die Absetzbewegungen in den ehemaligen Kolonien in den vergangenen Jahren noch einmal verstärkt haben.

Debatte in Australien

So hat sich die im Laufe ihrer langen Regentschaft mehrfach von der Queen besuchte Karbikinsel Barbados bereits im vergangenen Jahr von der Krone abgewandt und sich zur Republik erklärt. An der Vereidigung der Richterin Sandra Mason zur neuen Präsidentin hatte damals auch Charles in seiner Rolle als Kronprinz teilgenommen. Willkommen geheißen wurde der nunmehrige König aufgrund der von zahlreichen Gräueltaten britischer Sklavenhaltern geprägten Vergangenheit aber nicht von allen auf Barbados. Aktivisten sprachen sich nicht nur gegen den Besuch des Kronprinzen aus, sondern brachten auch britische Reparationszahlungen ins Spiel.

Doch auch in den 15 Staaten, in denen Charles aktuell noch Staatsoberhaupt ist, dürfte die Debatte darüber, wie zeitgemäß ein König im fernen Großbritannien noch ist, mit dem Thronwechsel wieder hochkochen. So ist Elizabeth zwischen 1954 und 2011 insgesamt 16 Mal nach Down Under gereist, die Beziehung der Australier zu ihrem royalen Staatsoberhaupt ist aber seit langem gespalten. Bereits 1999 hatten 45 Prozent der Wähler bei einem Referendum dafür gestimmt, dass ihr Land zur Republik wird. Befürworter dieser Idee finden sich heute zunehmend im politischen Establishment. So hat Grünen-Chef Adam Bandt dem Königshaus auf dem Kurznachrichtendienst Twitter zwar zunächst sein Beileid ausgedrückt, sein Tweet endete aber mit dem Satz: "Wir müssen eine Republik werden."

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Als Republikaner gilt auch der neue Labor-Regierungschef Anthony Albanese, der aber nach dem Tod der Queen zumindest nichts überstürzen will. Es sei der falsche Moment dafür, sagte Albanese. Dass es in absehbarer Zeit ein Referendum geben könnte, ist aber wohl dennoch nicht ausgeschlossen. So hat die Labor-Regierung zuletzt im Juni davon gesprochen, die Australier erneut über ein Ende der Monarchie abstimmen zu lassen.

Mit dem Gedanken, eine Republik zu werden, spielen zudem auch Jamaika und der Südseestaat Tuvalu. Doch auch hier wird der neue König wohl noch etwas Bewährungszeit bekommen. Wie Charles diese nutzen wird, wagen derzeit nicht einmal langjährige Kenner des Königshauses einzuschätzen. Anders als seine Mutter, die sich unvermittelt an einer Wegmarke der Geschichte wiederfand, konnte sich Charles aber immerhin jahrzehntelang auf seine Aufgabe vorbereiten.