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Die Flucht der Millionäre

Von Christian Ortner

Gastkommentare
Christian Ortner.

Immer mehr Reiche verlassen Europa. Das ist nicht wirklich eine gute Nachricht.


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Während in den vergangenen zwei Jahren hunderttausende meist mehr oder weniger mittellose Menschen aus Afrika, Nahost und Afghanistan in die EU drängten und damit für erhebliche politische Verwerfungen sorgten, hat - zunächst weit abseits der öffentlichen Wahrnehmung - eine höchst diskrete Wanderbewegung in die andere Richtung stark an Fahrt aufgenommen: Immer mehr wohlhabende Privatpersonen aus der EU verlassen Europa und ziehen weit weg, nach Australien, Neuseeland oder in die USA, aber auch nach Israel oder Dubai. "Die Nerze verlassen das sinkende Schiff", kalauerte jüngst das Magazin "Stern", und das deutsche "Manager-Magazin" befand trocken: "Tausende Millionäre verlassen Deutschland."

Zum Exodus der Wohlhabenden oder gar Reichen liefert die Beratungsgesellschaft New World Wealth bemerkenswerte Zahlen: So verließen im vergangenen Jahr 12.000 Millionäre Frankreich und 4000 Deutschland - Tendenz extrem stark steigend. Noch 2015 waren es bloß 1000 Millionäre, die sich aus Deutschland absetzten, und in den Jahren davor gar nur jeweils ein paar hundert. Zahlen über Österreich liegen nicht vor, dürften sich aber parallel zu jenen in Deutschland entwickeln. Und das heißt für die Zukunft nichts besonders Gutes. Denn die erhebliche Zunahme reicher Auswanderer ist laut der Studie "zunehmenden Spannungen in der Gesellschaft" geschuldet. Für Großbritannien, die Niederlande, Österreich, Schweden und Belgien befürchten die Experten daher künftig ebenfalls eine starke Abwanderung der Wohlhabenderen.

Für all jene, denen ein möglichst hohes Maß an Gleichverteilung des Besitzes ein zentrales Anliegen ist, mögen das Good News sein. Denn wenn die Zahl der Wohlhabenden in einem Land abnimmt, steigt automatisch rein mathematisch die Gleichheit der Einkommensverteilung. Was ja gerade in Österreich als besonders erstrebenswert gilt. Gleichzeitig sinkt damit in der Realität das Durchschnittseinkommen, was rechnerisch die Anzahl der Armen verringert.

Der einzige kleine Nachteil dieser statistischen Effekte: Kein einziger wirklich Bedürftiger hat deswegen auch nur einen einzigen Euro mehr in der Hand. Dass die Reichen gehen, macht die Armen nicht weniger arm. Zu begrüßen, dass Wohlhabende weggehen, kann daher nur niedrigen Gefühlen wie Neid geschuldet sein - die Fakten geben keinerlei Grund zur Freude her.

Ganz im Gegenteil: Wenn Wohlhabende oder Reiche abgehen, fehlen natürlich in der Folge erhebliche Steuereinnahmen, etwa aus der Mehrwertsteuer, aber in aller Regel auch aus Einkommensteuern. Und damit letztlich staatliche Ressourcen, mit denen Bedürftigen geholfen werden kann.

Vor allem aber ist es ein ganz schlechtes Zeichen, wenn "die Nerze das sinkende Schiff verlassen". Nicht selten verfügt diese soziale Gruppe über ein ganz gut entwickeltes Gespür für Chancen und Risiken; wenn diese Leute Grund genug sehen wegzugehen, kann das durchaus auch als Indikator für drohende soziale Probleme verstanden
werden.

Was ja nicht ausschließt, dass dem einen oder der anderen schlicht und einfach die Steuer- und Abgabenlast im Westen Europas zu hoch geworden ist.