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Die Folgen der Sanktionen gegen Russland

Von Gerhard Mangott

Gastkommentare
Gerhard Mangott ist Professor für Internationale Politik an der Universität Innsbruck.

Sanktionen sollen nicht vorrangig einen Staat bestrafen, sondern zu einer Verhaltensänderung zwingen. Das ist bei Russland aber nicht sicher.


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Die Botschafter der EU werden heute, Dienstag, weitreichende Sanktionen gegen Russland beschließen. Dazu sollen der erschwerte Zugang russischer Banken mit mehrheitlicher Staatsbeteiligung zum europäischen Kapitalmarkt, das Lieferverbot für Schlüsseltechnologien auch im Energiesektor, ein Embargo für Rüstungslieferungen und ein Exportverbot für zivil-militärisch nutzbare Komponenten zählen.

Als Grund wird angeführt, dass Russland die Forderungen der EU nicht erfülle: die unbehinderte Untersuchung der Absturzzone der MH17 durch internationale Experten und die Mithilfe Russland bei der Aufklärung, ein Ende der Lieferungen russischer Waffen an die ostukrainischen Rebellen und des Einsickerns russischer Söldner sowie eine wirksame Kontrolle der russisch-ukrainischen Grenze.

Die Sanktionen werden Russlands Wirtschaft vehement schaden. Sanktionen sind aber nicht vorrangig dazu da, einen Staat zu bestrafen, sondern ihn zu einer Verhaltensänderung zu zwingen. Ein Einlenken Russlands ist aber nicht sicher. Vielmehr ist das Risiko hoch, dass es seine Position verhärten könnte. Wenn es nichts mehr zu verlieren hat, kann es die bewaffnete Auseinandersetzung auch eskalieren. Die Kämpfe in der Ostukraine könnten zu einem direkten russisch-ukrainischen Krieg werden. Die Rebellen fallen zu lassen, käme einer Niederlage Wladimir Putins gleich. Das gilt es zu berücksichtigen, wenn nach einem - zunächst sehr einleuchtenden - Verhängen von Sanktionen gerufen wird.

Sanktionen würden auch die Reihen der russischen Bevölkerung hinter Putin schließen. Natürlich kann man vermuten, dass bei einer deutlichen Verschlechterung der ökonomischen und sozialen Lage als Folge der Sanktionen mittelfristig die Unzufriedenheit zunehmen wird. Das muss aber nicht so sein. Die Leidensfähigkeit der Russen angesichts ausländischen Drucks ist bekannt.

Innerhalb der wirtschaftlichen und politischen Eliten könnten harte Sanktionen zwar zu weiterer Unruhe führen, und Liberale übten bereits öffentlich Kritik am Kurs Russlands. Allerdings scheint die "Partei des Krieges" derzeit deutlich stärker und Putins Haltung zu eindeutig.

Den EU-Staaten drohen bei Verhängung sektoraler Handelsbeschränkungen Einnahmen- und Jobverluste. Gegenmaßnahmen sind weniger zu fürchten - nicht, weil Russland nicht wollte, sondern weil es der EU nicht so stark schaden kann, ohne sich damit selbst viel härter zu schaden. Russland könnte daher einen anderen Adressaten für Gegenmaßnahmen suchen: die Ukraine. Längst wurden tarifäre und nicht-tarifäre Handelshemmnisse für die ukrainische Wirtschaft verhängt. Der wirtschaftliche Ruin der Ukraine ist ein strategisches Ziel Russlands, sollte deren Führung nicht einlenken und russische Forderungen erfüllen. Im Fall harter EU-Sanktionen könnte Russland diese Handelsbeschränkungen deutlich ausweiten. Es könnte aber auch - als stärkstes Instrument - mit der Ausweisung ukrainischer Gastarbeiter beginnen. Dadurch entstünde der Ukraine ein immenser wirtschaftlicher Schaden. Die finanzielle und wirtschaftliche Stabilisierung des Landes - auch durch die EU - könnte damit noch erheblich teurer werden. Das wäre ein sehr hoher Preis, den die EU zahlen müsste.