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Die Folgen der Wahl in Kärnten

Von Simon Rosner

Politik

Was bedeutet das Fiasko der SPÖ, warum lagen die Prognosen daneben, und welche Koalition ist wahrscheinlich?


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Die SPÖ ist in Kärnten wieder dort angekommen, wo die Partei 2013 war. Bei der ersten Wahl von Peter Kaiser herrschte über die 37,1 Prozent großer Jubel, die 38,2 am Sonntag führten zu langen Gesichtern. Sie bedeuten ein Minus von neun Prozentpunkten. Dahinter rangiert die FPÖ mit 24,5 Prozent, die ÖVP überraschte mit 17 Prozent, nachdem Umfragen auch der Volkspartei Verluste prophezeiten. Das Team Kärnten von Gerhard Köfer verdoppelte sich auf 10 Prozent, Grüne und Neos verpassten den Einzug in den Landtag. Was bedeutet dieses Ergebnis von Kärnten?

Wie geht es in Kärnten nach der Wahl weiter?

Nur die Grünen, die erneut den Einzug in den Landtag verpassten, setzten sich am Montag zusammen, jedoch erst nach Redaktionsschluss. Bei allen anderen Parteien folgen die Gremien im Laufe der Woche. Bei der SPÖ tagt der Vorstand am Dienstagvormittag, im Anschluss ist eine Pressekonferenz von Landeshauptmann Peter Kaiser angesetzt. Vor den Koalitionsverhandlungen wird es Sondierungen mit allen Parteien geben, auch mit jenen, die es nicht in den Landtag geschafft haben. Bis zum 16. April muss sich der Landtag konstituieren. Vor fünf Jahren dauerte es genau einen Monat, bis die Koalition zwischen SPÖ und ÖVP stand.

Wird Peter Kaiser an der Landesspitze bleiben?

Davon ist auszugehen, auch wenn Kaiser bei Fragen zu persönlichen Konsequenzen Raum für Spekulationen öffnete. In der "ZiB 2" wurde der Landeshauptmann gefragt, ob er an Rücktritt gedacht habe, Kaisers Antwort: Es sei noch kein Thema. Noch? Es kann eine unglückliche Antwort gewesen sein, aber dass die Amtsperiode vielleicht Kaisers letzte werden wird, wäre angesichts seiner 64 Jahre keine Überraschung. Mit Blick auf die mögliche Nachfolge wird auch die Zusammenstellung seines Regierungsteams zu beachten sein. Bisher zeichnet sich kein klarer Nachfolger ab.

Welche Koalition ist in Kärnten wahrscheinlich?

Alles spricht für eine Neuauflage von Rot-Schwarz. Die Koalition funktionierte gut, Kaiser und ÖVP-Chef Martin Gruber arbeiteten relativ friktionsfrei zusammen. Eine Koalition mit der FPÖ ist für Kaiser, der innerhalb der SPÖ links zu verorten ist, kaum denkbar, und eine Koalition mit Ex-SPÖ-Mitglied Gerhard Köfer ist auszuschließen. Eine Koalition abseits der SPÖ geht sich zwar rechnerisch aus, ist aber unwahrscheinlich. Ein Grund dafür: Im Bund liegt die FPÖ in Umfragen seit Monaten auf Platz eins, weshalb Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei seiner Angelobung sagte, dass er nicht automatisch dem Erstplatzierten einen Regierungsauftrag erteilen werde. Die Freiheitlichen reagierten erbost, warfen dem Staatsoberhaupt vor, "antidemokratisch" zu agieren. Sich nun in Kärnten als Zweitplatzierte zum Landeshauptmann wählen zu lassen oder gar den drittplatzierten Gruber in dieses Amt zu hieven, nur um regieren zu können, würde das Narrativ der blauen Bundespartei, wonach der Erste auch regieren müsse, unterlaufen.

Warum lagen die Umfragen daneben?

Kurz gesagt: Man weiß es noch nicht. Der Meinungsforscher Peter Hajek, dessen Institut "Public Opinion Strategies" die SPÖ höher und die ÖVP deutlich niedriger bewertet hatte, sagte der APA, dass man die Stimmung hinsichtlich der ÖVP "schlicht und ergreifend nicht eingefangen" habe. Fehler im Studiendesign habe er nicht gefunden. Interessant ist, dass es vor fünf Jahren genau in die andere Richtung Fehlbewertungen gab. Am Wahltag erlebte die SPÖ dann eine Sensation mit 48 Prozent, die ÖVP schnitt schlechter ab als erwartet. Hajek und auch Christoph Hofinger von Sora sehen als mögliche Erklärung, dass sich ÖVP-Wähler bei der Befragung nicht deklariert haben könnten. Das kennt man bei der ÖVP nicht. Eine Rolle könnte hier die negative Berichterstattung über die Volkspartei (Chats, Korruptionsverdacht etc.) in jüngerer Vergangenheit gespielt haben, glaubt Hofinger.

Was bedeutet das Ergebnis für die Bundesregierung?

Die in Niederösterreich verlorene Mehrheit im Bundesrat, die sich am 23. März durch die konstituierende Sitzung des NÖ-Landtags realisieren wird, wurde durch das Ergebnis in Kärnten wieder zurückgewonnen. Nach der Salzburg-Wahl könnte sie aber wieder flöten gehen. Wirklich bedeutsam ist die Mehrheit in der Länderkammer für Türkis-Grün zwar nicht, doch der Bundesrat hat in der Vergangenheit schon auch Muskeln gezeigt. Bedeutender dürfte für die ÖVP und "Krisenkanzler" Karl Nehammer der emotionale Aspekt sein. Es war ein unverhoffter Zugewinn. Vor lauter Freude ist Nehammer gleich nach Kärnten gedüst. Viel Grund zum Jubeln hatte der ÖVP-Chef in seiner Amtszeit bekanntlich nicht. Politik ist ein zehrendes Geschäft, es sollte nicht unterschätzt werden, dass positive Überraschungen einer Partei neue Energie verleihen können. Es wird darauf zu achten sein, ob sich dies auch in der Zusammenarbeit mit den Grünen niederschlagen wird. Zum Beispiel bei der geplanten Mietpreisbremse, bei der die Grünen die ÖVP-Forderung nach einer Befreiung von der Grunderwerbsteuer kategorisch ablehnten.

Was bedeutet das Ergebnis für die Bundes-SPÖ?

Wenn in einer Partei die Nervosität grassiert, Gerüchte die Runde machen und das Zutrauen in die Parteiführung abnimmt, ist ein Wahldebakel nicht hilfreich. Es erhöht die Nervosität, wenn die sichere Bank unerwartet auslässt. Doch auch ein besseres Abschneiden der SPÖ in Kärnten hätte nicht sehr viel geändert. Auf Bundesebene hatten die Sozialdemokraten nach einer langen Zeit des Darbens vor einem Jahr Aufwind bekommen. Erstmals unter Parteichefin Pamela Rendi-Wagner war die SPÖ auf Platz eins - und zwar um Längen. Doch im September kippte das wieder, ab November lag die FPÖ voran. Dass interne Streitigkeiten negativ auf Umfragen wirken, ist sicher richtig, doch ebenso lässt sich sagen, dass schlechte Umfragewerte bestehende Konflikte befördern. In der Situation befindet sich die SPÖ mit ihrer Parteispitze.

Wie reagiert die SPÖ auf das Ergebnis in Kärnten?

Vorerst mit gegenseitigen Schuldvorwürfen, wobei sich die Wut einzelner Funktionäre, wie etwa von Vorarlbergs Parteichefin Gabriele Sprickler-Falschlunger und Tirols Vize-Chefin Selma Yildirim in Richtung Hans Peter Doskozil entlud. Der Vorwurf: Die ständigen Kommentare aus dem Burgenland würden das Bild einer "Streitpartei" fördern. Doskozil reagierte am Montag zurückhaltend: Er verstehe die Fragen nach Konsequenzen. "Diese Diskussionen wird es geben, die werden nicht öffentlich sein."

Am Abend warf dann wiederum Rendi-Wagner in der "ZiB2" Doskozil mangelnde Solidarität mit der Gesamtpartei vor. "Doskozil hat in der Öffentlichkeit kritisiert, aber keine Verantwortung übernommen", sagte sie. Und sie machte auch den mangelnden Zusammenhalt und die ständigen internen Diskussionen als Ursache für die jüngsten Misserfolge bei Wahlen aus. "Gemeinsame Erfolge brauchen einen gemeinsamen Willen", betonte Rendi-Wagner. Über einen Rücktritt als Vorsitzende denke sie keine Sekunde nach.