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Die FPÖ ist am Boden. Doch bisher konnte sie sich noch stets auf die Fehler der Konkurrenz verlassen.
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Am 17. Mai 2019 schlug die Veröffentlichung eines siebenminütigen Zusammenschnitts eines insgesamt rund siebenstündigen und geheim aufgenommenen Videos wie die sprichwörtliche Bombe in der österreichische Politik ein. Darin redeten sich die beiden FPÖ-Spitzen Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus - Vizekanzler der eine, Klubobmann der andere - um Kopf und Kragen. 24 Stunden später war die türkis-blaue Bundesregierung Geschichte, weil Kanzler Sebastian Kurz die Zusammenarbeit mit der FPÖ aufkündigte.
Seitdem ist viel Wasser die Donau hinuntergeflossen, die Zweite Republik erlebte etliche historische Premieren wie die Abwahl des Bundeskanzlers, die Einsetzung eines Beamtenkabinetts, die erste Frau im Kanzleramt, schließlich Neuwahlen und die erste Regierung mit einer Koalition von Konservativen und Ökos in Europa. Worauf wir immer noch warten, sind einige Antworten: Wer lockte warum die FPÖ in diese Falle? Wer organisierte die Veröffentlichung über deutsche Medien? Und natürlich: Welche harten juristischen Folgen werden die diversen Ermittlungsstränge im Zusammenhang mit dem Video am Ende erbringen?
Wobei die Ibiza-Affäre zunächst und vor allem eine politische, moralische sowie charakterliche Bankrotterklärung der handelnden Personen ist und nur zum geringeren Teil eine juristische Staatsaffäre. Aber dies werden am Ende die Gerichte rechtskräftig entscheiden.
Dass "Ibiza" Österreich nachhaltig verändern wird, darf getrost bezweifelt werden. Wie auch, wenn wie zum Hohn Strache ausgerechnet zum ersten Jahrestag den Namen seiner neuen Bewegung präsentiert, mit der er zur Wien-Wahl antritt. Mitunter ist Österreichs Politik eben doch genau so, wie es sich Kabarettisten und Zyniker in ihren wildesten Geschichten nicht besser erträumen hätten können.
Am Ende ist es ohnehin an den Bürgern, die Frage nach den Folgen der Affäre letztgültig zu beantworten. Momentan hat es den Eindruck, als ob die Überzeugung, wonach Politik vorrangig ein Bereich für ernsthafte Menschen mit ernsthaften Ideen sein sollte, Oberwasser hat. Zumindest deuten das die jüngsten verfügbaren Umfragen an, in denen die FPÖ mit rund
10 Prozent wieder auf ihr Ergebnis von 1986 und 2002 zurückgeworfen wurde, nachdem sie noch vor drei Jahren die Aussicht hatte, stimmenstärkste Kraft zu werden. Das kann aber auch nur der Corona-Krise geschuldet sein.
Die anderen Parteien haben es in der Hand, ob die FPÖ wieder zu alter Stärke zurückkehren wird. Bisher konnte sich die FPÖ noch jedes Mal auf die Fehler ihrer Konkurrenz verlassen.