Zum Hauptinhalt springen

Die Folkspartei

Von Matthias Nagl

Politik

Die FPÖ legte am Sonntag vor allem im ländlichen Bereich zu und vertritt nun Land und Stadt.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Linz. Das Ergebnis der Landtagswahl in Oberösterreich steht für sich. Um einen tiefgreifenden Wandel in Österreichs stärkstem Industrie-Bundesland zu diagnostizieren, muss man nicht zweimal hinschauen. Und doch zeigt erst der zweite Blick, jener auf die Detailergebnisse und Analysen, wie tief in die Gesellschaft dieser Wandel reicht.

Die FPÖ, die größte und de facto einzige Siegerin dieser Wahl, hat auf Landesebene nicht nur die größeren Städte Wels (34,6 Prozent Stimmenanteil) und Steyr (30,8 Prozent) für sich entschieden und lag in Linz noch vor der SPÖ mit 26,4 Prozent auf Platz zwei, sondern löste die am Land traditionell stärke Landeshauptmann-Partei ÖVP auch in einigen ländlichen Hochburgen ab.

Das geschah vor allem im Innviertel in Oberösterreichs Nordwesten, wo die FPÖ traditionell ein hohes Wählerpotenzial hat. Dort bauten die Freiheitlichen einige Hochburgen weiter aus, jedoch sind sie auch in Gemeinden stärkste Partei geworden, die bisher eindeutig schwarz waren.

MassenweiseUmfärbungen

Eines der frappierendsten Beispiele ist die Gemeinde Esternberg im nördlichen Innviertel mit knapp 2900 Einwohnern. Dort verlor die Volkspartei bei der Landtagswahl knapp 23 Prozentpunkte und liegt nun nur mehr bei 36 Prozent. Die FPÖ legte dagegen um ebenfalls 23 Prozentpunkte auf 43 Prozent zu - die FPÖ als neue, freiheitliche Volkspartei. Immerhin blieb in Esternberg zumindest der Gemeinderat in schwarzer Hand, wie in vielen Gemeinden, die bei der Landtagswahl blau wählten. Doch es gab auch einige Gemeinden, die komplett umgefärbt wurden.

Auch im Wählerpotenzial der SPÖ fischten die Freiheitlichen kräftig. So wurde die FPÖ im bisher roten Ansfelden im Süden von Linz bei der Landtagswahl und im Gemeinderat stärkste Partei, der FPÖ-Kandidat kam beim ersten Antreten in die Stichwahl um den Bürgermeistersessel. Diese Bewegung zeigen auch die Wählerstromanalysen.

Eine Erhebung des Instituts für Wahl-, Sozial- und Methodenforschung kommt auf knapp 32.000 Wähler, die von der SPÖ zur FPÖ wanderten. Von der ÖVP war demnach der Abfluss mit 61.600 Wählern noch stärker. Das Meinungsforschungsinstitut Sora kommt sogar auf einen Nettogewinn der FPÖ von der ÖVP von 71.000 Wählern, die SPÖ hat demnach 18.000 Wähler an die FPÖ verloren.

Dass die Freiheitlichen ihre Wähler nun zunehmend auch im bürgerlich-ländlichen Lager rekrutieren, hat schon die Wählerstromanalyse der steirischen Landtagswahlen Ende Mai gezeigt. Laut Sora gewann die FPÖ damals von der ÖVP netto 53.000 Stimmen, von der SPÖ waren es dagegen nur 28.000 Stimmen.

FPÖ drang in denländlichen Raum ein

Für Christoph Hofinger von Sora hat das zwei Gründe: "Die FPÖ ist diesmal stark in den ländlichen Raum eingedrungen und hat damit eine Ausweitung ihrer Anhängerschaft erreicht. Zum anderen war rein mathematisch von der ÖVP einfach mehr zu holen als von der SPÖ." Ihren Anteil am Wählerpotenzial der SPÖ haben die Freiheitlichen zu einem guten Teil schon 2009 ausgeschöpft, als die SPÖ wesentlich stärker verlor als bei dieser Landtagswahl.

Somit gibt es gewissermaßen eine Asymmetrie zum Aufstieg der FPÖ unter Jörg Haider in den 1990er-Jahren, die an ihrem Höhepunkt ebenfalls als umfassende Volkspartei durchging. "Damals sind die ÖVP-wählenden Facharbeiter schneller zur FPÖ gewandert als die SPÖ-wählenden. In Summe verloren dann aber beide Großparteien gleich viel", sagt Hofinger zur "Wiener Zeitung".

Für den Meinungsforscher ist diese Asymmetrie aber nicht unbedingt Teil der freiheitlichen Strategie. "Sie versuchen einfach, sich breiter aufzustellen. Um zu den Großparteien aufzuschließen, müssen sie sich auf die Mittelschicht ausrichten."

Der Erfolg der FPÖ im ländlichen Raum mag zu einem gewissen Teil auch an Manfred Haimbuchner, dem FPÖ-Spitzenkandidaten liegen. Zwar mischte Parteichef Heinz-Christian Strache mit zahlreichen Auftritten kräftig im oberösterreichischen Wahlkampf mit, doch mit Haimbuchner wissen Oberösterreichs Dorfbewohner, einen von ihnen gewählt zu haben.

Haimbuchner gibt sich als Idyll-Oberösterreicher

Der FPÖ-Chef lebt nach wie vor in Steinhaus neben Wels, wo sein Vater lange Zeit für die FPÖ Bürgermeister war. Der Wikipedia-Eintrag der Gemeinde liest sich wie ein Klischeebild. "Steinhaus ist eine ländliche Gemeinde mit einigen Gasthäusern, Neubausiedlungen, einer Raiffeisenbank, einer Bäckerei wo es auch Milch, Butter und Eier gibt sowie viele Bauernhöfe und eine Fleischhauerei", ist - grammatikalisch nicht ganz einwandfrei - zu lesen.

Bei zahlreichen Auftritten im Bierzelt bewies Haimbuchner zwar, dass er lautstark nach Härte rufen kann. In dem wenigen, das er von seinem Privatleben nach außen lässt, zelebriert der 37-Jährige aber das Land-Idyll. In diesem Jahr hat Haimbuchner geheiratet, zu seinen Hobbys zählen Jagen und Fischen, und aus Oberösterreich möchte er nicht weg. In einem Interview mit den "Oberösterreichischen Nachrichten" sagte er: "Man ist sehr schnell geerdet, wenn der Rasen so hoch ist, weil man vier Wochen lang nicht gemäht hat." Haimbuchner spricht die Sprache der Haus- und Gartenbesitzer.

In der Gemeinde Feldkirchen bei Mattighofen mit ihren knapp 2000 Einwohnern legte die FPÖ bei der Landtagswahl um 18 Prozentpunkte auf knapp 44 Prozent zu, errang den Bürgermeistersessel ohne Stichwahl und brach im Gemeinderat nicht nur die absolute ÖVP-Mehrheit, sondern ist dort nun auch stärkste Partei. Ein Beispiel von vielen.