)
Interview mit Christoph Wiederkehr, der am Samstag von den Wiener Neos zum neuen Parteichef gewählt wird.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 6 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Am Samstag wählen die Wiener Neos im Rahmen ihrer Landesmitgliederversammlung die Nachfolge von Noch-Landessprecherin Beate Meinl-Reisinger sowie das gesamte Landesteam. Dabei stellt sich Christoph Wiederkehr als einziger Kandidat der Wahl. Christoph Wiederkehr wurde nach dem Wechsel von Meinl-Reisinger in den Nationalrat bereits im September Klubvorsitzender im Rathaus. Nun übernimmt der einstige Vorsitzende der Neos-Jugendorganisation Junos in Wien auch die Parteispitze. Im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" erklärt er seine Pläne für die Wiener Partei.
"Wiener Zeitung":Herr Wiederkehr, Sie werden am Samstag zum neuen Landessprecher der Neos gewählt. Was unterscheidet Sie von Beate Meinl-Reisinger?Christoph Wiederkehr: Ich kandidiere am Samstag und muss natürlich noch von den Mitgliedern gewählt werden. Ich habe auf jeden Fall vor, prinzipiell die Linie von Beate Meinl-Reisinger im Bereich der Kontrolle der Stadtregierung fortzusetzen, weil mir das auch ein Herzensanliegen ist. Hier geht es vor allem um die Themen Steuergeldverschwendung und Postenschacher.
Aber was unterscheidet Sie von Meinl-Reisinger?
Ich möchte mein Herzensthema Bildungspolitik noch stärker in den Fokus rücken. Darüber hinaus habe ich bisher viel Aufdeckerarbeit geleistet - etwa auch im U-Ausschuss zum Krankenhaus Nord. Das ist mein Profil, mein Schwerpunkt.
Der Peter Pilz der Neos?
Detektiv der Neos würde besser passen. Denn Aufdecken war immer meine Leidenschaft - auch als Gemeinderat habe ich immer in diesem Bereich gearbeitet.
Nach dem Stand der Dinge wird 2020 gewählt. Was ist Ihr selbst erklärtes Wahlziel und welche Koalitionsmöglichkeiten könnten Sie sich vorstellen?
Uns ist klar, dass wir stärker werden wollen. Wir sehen auch in allen Umfragen, dass wir gut unterwegs sind. Und was auch ganz klar ist: Wir wollen keine Regierungsbeteiligung der FPÖ. Und es wird keine Koalitionsverhandlungen mit den Freiheitlichen geben. Denn wie ich die Freiheitlichen in Wien erlebe, handelt es sich um eine rassistische Partei, die keinerlei Schnittmengen mit den Neos hat. Ansonsten sind wir allen Gesprächen gegenüber offen.
Warum meinen Sie, ist die FPÖ eine rassistische Partei?
Wir sehen das ja an den fast täglichen sogenannten Einzelfällen - nehmen wir nur das berüchtigte Ali-Video (auf FPÖ-TV, Anm.).
Wie schätzen Sie generell die Lage angesichts der Wien-Wahl ein?
Wie es aussieht, wird die SPÖ wieder stärkste Partei und sich somit die Verhandlungspartner aussuchen können. Dem stehen wir natürlich auch offen gegenüber - aber nicht um jeden Preis.
Das heißt, Sie würden einen Bürgermeister Michael Ludwig unterstützen?
Wenn sich Rot-Schwarz ausgeht, wird uns Ludwig nicht mehr brauchen. Falls doch, müsste Ludwig seinen Politikstil schon verändern. Er dürfte nicht so weitermachen wie bisher - vor allem, was die Themen Postenschacher, Freunderlwirtschaft und das Verprassen von Steuergeld betrifft. Da müsste es andere Spielregeln geben.
Welche Fälle von Postenschacher meinen Sie hier konkret?
Ich denke da zum Beispiel an Ludwigs erste Aktion als Bürgermeister, die ehemalige Finanzstadträtin Renate Brauner in der Wien Holding AG mit einem neu geschaffenen, sehr gut dotierten Posten zu versorgen. Das sind Mechanismen, die wir grundlegend ablehnen und die ich auch moralisch für unzulässig halte. So etwas kann es mit uns nicht geben.
Und was müsste er an seiner Politik ändern?
Michael Ludwig arbeitet sehr stark für das eigene SPÖ-System, aus dem er auch seine Stärke geschöpft hat und dadurch Bürgermeister geworden ist. Außerdem sehe ich keine Visionen, die er für die Stadt hat. Hier müsste er mehr in die Zukunftsgestaltung kommen - insbesondere im Bildungs- und Gesundheitsbereich.
Sollen die Neos die neuen Grünen in der Stadt werden?
Das nicht, aber wir sind natürlich ein gutes Angebot für jene, die von den Grünen enttäuscht sind. Denn die Grünen sind zu lasch geworden und haben ihre Werte aufgegeben. Wir unterscheiden uns aber natürlich auch ganz klar inhaltlich von ihnen - vor allem wirtschaftspolitisch. Was mich momentan an den Grünen am meisten stört, ist, dass sie nur mit sich selbst beschäftigt sind. Zuerst waren es die Roten, jetzt die Grünen - und in der Stadtpolitik geht dadurch gar nichts mehr weiter.
Wie soll ein Neos-Wien aussehen?
Es wäre eine Stadt der fairen Chancen für alle. Denn wir sehen, dass die Mitte der Gesellschaft hohe Steuern bezahlt und dieses Geld nicht gut eingesetzt wird. Immer mehr Menschen müssen sich privat versichern, um eine gute medizinische Versorgung zu haben. Aber auch im Bildungsbereich werden immer mehr private Schulen in Anspruch genommen - was zu einem Auseinanderdriften der Gesellschaft führt.
Wie wollen die Neos ihren Sozialstaat finanzieren?
Die SPÖ hat versagt, weil sie nicht bereit ist, in Bereichen zu sparen, wo es leicht gehen würde.
Wo zum Beispiel?
Etwa im Politiksystem, wo unglaublich viele Posten nicht nötig sind - wie etwa die nicht amtsführenden Stadträte, die Bezirksvorsteher-Stellvertreter usw. Auch bei den Parteienförderungen könnte gespart werden.
Wie hoch ist hier Ihrer Meinung nach das Einsparungspotenzial?
Das wären ungefähr 150 Millionen Euro pro Jahr durch Einsparungen im Politiksystem und bei den Werbeausgaben. Durch eine sinnvolle Verwaltungsreform wäre natürlich noch deutlich mehr möglich. Etwa durch Zusammenlegung von Bezirksvertretungen zu Stadtteilparlamenten.