Vizekanzler Strache negiert freiheitlich-identitäre Verstrickungen. Kanzler Kurz will blaue Kabinette "sehr genau" beobachten.
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Wien. Die Freiheitlichen haben weiterhin Schwierigkeiten, sich von den Identitären so abzugrenzen, wie es der Koalitionspartner verlangt. Sie versuchen es auch gar nicht erst. Vizekanzler und FPÖ-Parteiobmann Heinz-Christian Strache blieb am Rande des Ministerrats dabei, dass seine Partei nichts mit dem rechtsextremen Kader in Österreich zu tun habe, gegen den nach einer Spende des Christchurch-Attentäters Brenton Tarrant auch hierzulande ermittelt wird.
Nur eine Funktionstätigkeit eines Freiheitlichen bei den Identitären gehe sich für den blauen Parteichef nicht aus. Dafür gebe es einen Beschluss der Partei. Eine gewisse Nähe von blauen Politikern und Mitarbeitern, etwa auf einer Identitären-Demonstration zu sprechen oder mitzulaufen, wie dies FPÖ-Spitzenfunktionäre in der Vergangenheit nachweislich getan haben, seien kein Problem. "Das kann ich meinen Freunden nicht verbieten", sagt Strache. Er überprüfe auch nicht, wer wo privat aktiv sei. Strache wisse auch gar nicht, wie er das als Parteichef sanktionieren solle. Ob das Bundeskanzler Sebastian Kurz als Distanzierung reicht, der ja "keinen schwammigen Umgang mit den rechtsextremen Identitären" dulden wollte?
Die Freiheitlichen seien, so Strache, an ihren "Worten und Taten" bei einer identitären Demonstration zu messen, nicht an der Teilnahme an sich. Strache teilte noch im April 2016 ein Werbevideo der Rechtsextremen und betonte deren "friedlichen Aktionismus" der, wie er sie nannte, jungen Aktivisten "einer nicht-linken Zivilgesellschaft", obwohl der Verfassungsschutzbericht bereits 2014 unter den Identitären amtsbekannte Neonazis ortete.
Eine freiheitliche Kundgebung
Dass die Freiheitlichen mit ihrer Distanzierung zu den Rechtsextremen Schwierigkeiten haben, lässt sich auch anhand des Auftritts von FPÖ-Klubchef Walter Rosenkranz Dienstag in der "ZiB 2" interpretieren. Dort bezeichnete er einen Text des als rechtsextrem eingestuften Magazins "Info-Direkt", das Identitäre und FPÖ als "Patrioten in einem Boot" sieht, als "journalistische Freiheit". Das Magazin hat eine offenkundige Nähe zu den Identitären. Aber auch zu den Freiheitlichen. Zwei FPÖ-Mitarbeiter in Oberösterreich sind an dem Magazin beteiligt. Für Rosenkranz ist das kein Problem.
Auch würde Rosenkranz den Obmann der Identitären, Martin Sellner, nicht erkennen, selbst "wenn er 50 Zentimeter an mir vorbeigeht", sagte er im ORF-Interview. Das verwunderte doch. Erst vergangene Woche hielt Rosenkranz im Zuge der Debatte über das Attentat im neuseeländischen Christchurch ein Bild als Replik auf die Verstrickungsvorwürfe in die Höhe, auf dem Sellner und Bundespräsident Alexander Van der Bellen zu sehen waren. Dass Rosenkranz die Identitären nur "medial" kennengelernt hat, lässt sich widerlegen. Am 25. Februar 2016 sprach er auf einer FPÖ-Demonstration in Wiener Neustadt, bei der zahlreiche Identitäre samt Fahnen anwesend waren. Der heutige Landesparteisekretär der blauen Niederösterreicher, Michael Schnedlitz, begrüßte die Identitären bei der dortigen Kundgebung "herzlich in Wiener Neustadt. Hier seid ihr sehr herzlich willkommen".
Probleme mit der Schwester
Dass die Nähe der FPÖ zu den Identitären zweifelsohne ein Belastungstest für die Koalition ist, ließ sich am Mittwoch im Ministerrat erkennen. Während Strache mit den Identitären nichts zu tun haben wollte, die Hysterie der Kritiker kritisierte und die freiheitlich-identitären Verstrickungen kleinzureden versuchte, nahm Bundeskanzler Kurz den Kontrapart ein. Einmal mehr forderte er die Freiheitlichen dazu auf, sich klar von den Identitären abzugrenzen. Auch Kabinettsmitarbeiter des Koalitionspartners dürften nicht bei den Rechtsextremen aktiv sein. "Das werden wir sehr genau beobachten", sagte Kurz - woraufhin sich ein doch recht bemerkenswerter Dialog zwischen dem für gewöhnlich harmonischen Kanzler und dem Vizekanzler entwickelte.
Strache konterte sofort, dass alle blauen Kabinette "sicherheitsüberprüft" seien, er forderte mehr "Sachlichkeit" im Umgang mit dem Thema ein. Sachlichkeit habe er "selbst auch erst nach einem gewissen Alter erreicht", so Strache.
Kurz, der das offenbar persönlich nahm, stellte klar: "Ich glaube, wie man die Identitären sieht, ist keine Altersfrage, die kann man widerlich finden, egal wie alt man ist." Strache revidierte eiligst, nicht den Kanzler, sondern sein jüngeres Ich gemeint zu haben. Allerdings haben nicht nur die Freiheitlichen ein Problem damit, sich von den Identitären zu lösen. Die slowenische ÖVP-Schwerpartei SDS ist mit dem dortigen Ableger der Rechtsextremen eng verknüpft. Ex-Premier Janez Jansa teilte zuletzt am Montag nicht nur einen Tweet der "Generacija identitete", als sie sich wegen der mutmaßlichen Attentäter-Spende hinter Sellner stellten, es gab auch mehrmals gemeinsame Auftritte von SDS-Politikern und Identitären. Zwar versuchen beiden Seiten, die Verbindungen zu negieren, allerdings teilt Janez regelmäßig Tweets der Identitären.
Vier weitere Spenden
Kurz informierte auch über den Ermittlungsstand zu den Verbindungen des Christchurch-Attentäters nach Österreich. Bis auf den Umstand, dass er in 60 Ländern gewesen sei, darunter in 20 aus der Europäischen Union, gab es jedoch nichts Relevantes zu berichten. Wie "Der Standard" recherchierte, soll der Attentäter im Herbst 2017 vier Überweisungen an die rechtsextreme Organisation "Generation Identitaire" getätigt haben. Die Zeitung beruft sich auf mit den Ermittlungen vertrauten Personen des deutschen Bundeskriminalamts. Allerdings sei noch nicht klar, ob mit der "Generation Identitaire" nur der französische Ableger gemeint ist oder auch andere Landesorganisationen. Die österreichischen Rechtsextremisten erhielten ihre Spende Anfang 2018.
Nicht ganz so leicht von der Hand ging Strache die Bestätigung, dass seine Partei an der europäischen Rechtspopulisten-Allianz beteiligt sei, die am Montag in Mailand präsentiert werden soll. Italiens Innenminister Matteo Salvini von der rechten Lega Nord hat dafür eine Pressekonferenz angesetzt. Kanzler Kurz kommentierte hinsichtlich der Europawahlen, dass es Unterschiede zwischen ÖVP und FPÖ gebe, und "ich muss nicht auf jeden Inhalt eingehen, den ich ablehne".