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Die Frau, ein offenes Buch

Von WZ-Korrespondentin Anna van Ommen

Wissen

Oberflächlichkeit birgt meistens ein Fünkchen Wahrheit. | Gesichtszüge von Männern sind kein Indiz für Charakter. | London. Dass Männer Frauen nicht verstehen, wird viel zitiert. Dabei genügt offenbar ein kurzer Blick, um weibliche Charaktereigenschaften zu erkennen. So könnte man das Ergebnis einer Untersuchung der Universität Glasgow deuten.


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"Studien haben ergeben, dass viele Menschen bestimmte Gesichtsmerkmale mit bestimmten Charaktereigenschaften assoziieren. Diese oberflächlichen Einschätzungen haben immer ein Fünkchen Wahrheit beinhaltet", sagt Rob Jenkins. Der Psychologe hat die Untersuchung gemeinsam mit Richard Wiseman von der Universität Hertfordshire durchgeführt.

"Erstaunt hat uns allerdings der Unterschied zwischen den Geschlechtern." Denn die schottische Studie ergab, dass Männer-Gesichter weitaus weniger aufschlussreich sind.

Im Rahmen der Untersuchung wurden tausend Leser des britischen "New Scientist"-Magazins eingeladen, ein Bild im Passfotoformat einzusenden sowie einen Fragebogen zu ihrer Persönlichkeit auszufüllen. Dabei sollten die Teilnehmer angeben, wie glücklich sie sich schätzten und wie humorvoll, religiös oder vertrauenswürdig sie sich einstuften.

Gesichter gemischt und dann abgeglichen

Die Wissenschafter gruppierten die Einsender dann nach Geschlecht und nach Grad der Eigeneinschätzung in diesen vier Kategorien. Anschließend wurden die Fotos elektronisch gemischt, sodass neue Gesichter entstanden. Dr. Jenkins erklärte: "Wenn also beide Gesichter buschige Augenbrauen und tiefe Augenhöhlen vorwiesen, dann hatte das Mischgesicht die gleichen Merkmale. Hatte eine Person eine große, die andere eine kleine Nase, dann ergab sich ein Antlitz mit mittelgroßer Nase."

Die Wissenschafter wollten herausfinden, ob sich aus diesen künstlichen Gesichtern die Charaktereigenschaften der Teilnehmer ableiten ließen. Mehr als 6500 Leser nahmen an der Befragung via Internet teil. Sie ordneten die Gesichter den Kategorien "glücklich", "humorvoll", "religiös" und "vertrauenswürdig" zu.

Dabei tippte die Mehrheit bei den Frauen richtig. 70 Prozent fanden das "Glück"-

Gesicht, 73 Prozent wählten das korrekte "religiöse" Gesicht. Die Mehrheit identifizierte auch das "vertrauenswürdige" Gesicht.

Nur Humor war offenbar weniger leicht aus den Fotos abzulesen. Bei den Männern sorgte das Ergebnis derweil für eine Überraschung. Die Charaktereigenschaften der männlichen Mischgesichter wurden kaum erkannt.

Wäre bei der Einschätzung nur Zufall im Spiel, so hätte die Analyse laut Dr. Jenkins ein 50:50-Ergebnis vorweisen müssen.

Männliche Antworten nicht ganz so ehrlich?

"Vielleicht sind weibliche Gesichter tatsächlich aufschlussreicher", gibt der Verhaltens-Experte als möglichen Grund an. "Oder die Männer waren bei der Selbsteinschätzung nicht ganz ehrlich. Vielleicht waren die Frauen auch etwas umsichtiger bei der Wahl des Fotos." Wenn das nicht wieder einmal Bände über die Unterschiede zwischen den Geschlechtern spricht.

Wie akkurat das Ergebnis auch ist, für Jenkins und sein Team weist die Studie auf einen "Zusammenhang zwischen dem Äußeren und der Persönlichkeit hin, denn beide Faktoren werden schließlich von unserem Erbgut bestimmt."

Vielleicht ist die Einschätzung eines Menschen allerdings eher gesellschaftlich vorprogrammiert. Wie sonst erklärt sich, dass gut aussehende Menschen oft als erfolgreicher und selbstbewusster eingestuft werden? Und Blondinen mitunter für dümmer gehalten werden als Brünette?

Manchmal spielt die Natur uns aber auch einen Streich. So haben weitere Studien ergeben, dass vor allem milchgesichtige Buben aggressiver sind und erfolgreicher durchs spätere Leben gehen.