Die Wirtschaftsnation braucht die Arbeitskraft der Frauen, schafft aber nicht die Bedingungen dafür. Alte und neue Rollenbilder scheinen unvereinbar.
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Am Sonntag wählt Japan eine neue Regierung. Fukushima, Atomdesaster, Einbruch der Exporte, Streit mit den Nachbarn China und Korea um unbewohnte Inseln, für viele wichtige Fragen beteuern japanische Politiker, smarte Konzepte zu haben. Sowohl die noch regierende Demokratische Partei Japans (DPJ) als auch die an die Macht zurückwollende Liberaldemokratische Partei (LDP) versprechen wenige Tage vor den Wahlen zum Unterhaus im Parlament Antworten. Bloß eine Gruppe von Menschen, die mehr als die Hälfte des Wahlvolkes ausmachen, kommt in den Wahlreden nicht vor: Japans Frauen.
Dabei täte die Politik gut daran, ihre Frauen bestmöglich zu unterstützen. Denn nach offizieller politischer Lesart sollen sie mehr als bisher mit ihrer Arbeitskraft die Wirtschaftsleistung befeuern. Leider schafft es die Politik nicht, Bedingungen zu schaffen, um Beruf und Familie wenigstens ansatzweise zu vereinbaren. Für die Japanerinnen bleibt oft nur das Entweder-Oder: Entweder einen Mann finden, der ein Leben daheim mit den Kindern ermöglicht. Oder eben Single mit Beruf sein. Das Land ist konfrontiert mit einer steigenden Anzahl von Frauen der 30-plus-Generation, die nicht heiraten wollen - oder können, je nach Betrachtungsweise. Natürlich wollen sie heiraten, das entspricht dem traditionellen Rollenbild. Irgendwann kommt der Richtige, der ihnen das bietet, was sie jetzt auch schon haben: sozialen Status, ein befriedigendes Einkommen. Und ein, zwei Kinder wären schön. Japanerinnen, die etwas erreicht haben, heiraten nicht unter ihrem Status. Die Realität verwirklicht das nicht: Junge Männer in prekären Arbeitsverhältnissen verbleiben im Elternhaus. Eigenes Haus mit Familie und Kindern? Unfinanzierbar. Das Gros der Frauen wiederum, die fleißig studiert haben, beginnt eine Karriere als "office ladies", zuständig für Lächeln und Kaffeeservice, die genau dort frühzeitig endet, wo sie begonnen hat: ganz unten in der Hierarchie. Von ihnen wird erwartet, dass sie bei Heirat der nächsten Generation Platz machen. Dann sind sie weg vom Jobmarkt.
Japan, das eine schrumpfende Bevölkerung samt sinkenden Steuereinnahmen, weniger Konsumkraft, aber stark steigenden Sozialkosten repräsentiert, verfängt sich zwischen den Anforderungen einer hochtechnisierten Industrienation und seinen tradierten Rollenbildern, die hochgehalten, aber nicht mehr gelebt werden können. Zerquetscht werden dabei die Frauen. Der Anteil der Japanerinnen, die bis 2030 nicht geheiratet haben werden, liegt bei etwa 25 Prozent. Bei Männern liegt er noch höher, so eine Studie des Japan Center for Economic Research: Rund ein Drittel von ihnen wird niemals ja zur Ehe sagen. In wilder Ehe zu leben und Kinder zu haben ist übrigens bis heute gesellschaftlich unerwünscht. Arbeitsmigration aus Asien ist ein Tabuthema.
Aber woher sollte auch die aktuell sechste Regierung in nur sechs Jahren wissen, was Frauen in ihrem Land wollen? Lediglich 10 Prozent der Abgeordneten sind Frauen. Japan schafft es im Global Gender Gap Report 2012 des World Economic Forum nur auf Platz 101 von 135 verglichenen Staaten.