)
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 2 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Norberts Ma-Po-Tofu, mit der richtigen Prise Sichuan-Pfeffer zubereitet und schweißtreibend scharf, ist eine Sensation. Weit besser als im Restaurant. Die Frage, die sich ergab, war, ob Norbert das überhaupt darf, also Ma-Po-Tofu kochen, das sei doch eine "kulturelle Aneignung".
"Kulturelle Aneignung" bedeutet, dass man sich Elemente anderer Kulturen aneignet und diese, so die Theorie, damit erniedrigt, indem man sie gleich einer Kolonialware behandelt. Dass jetzt speziell das deutschsprachige Feuilleton mit der "kulturellen Aneignung" einen neuen Woke-Tanz aufführt, versteht sich von selbst. Und von selbst versteht sich auch, dass "kulturelle Aneignung" als No-Go eingestuft wird.
Allerdings bestehen nahezu alle Kulturen auf der Welt zu einem großen Prozentsatz aus "kulturellen Aneignungen", ob das nun die arabischen Zahlen sind, die Malerei Paul Gauguins, die Survival-Nahrung Pemmikan, die Anleihen an chinesische Musik bei Gustav Mahler und Giacomo Puccini, die japanische Dichtung in den Haikus.
In Wahrheit käme man mit der neutralen Bezeichnung "kulturelle Übertragung" der Sache näher. Doch offenbar soll, zumal in "Aneignung" das Wort "Diebstahl" mitschwingt, eine weitere Moral-Komponente eingeführt werden, um speziell die westliche Kultur einer Selbstzensur zu unterziehen.
Deshalb überlegt Robert, der kein Kulturdieb sein mag, ob er als Wiener noch Ma-Po-Tofu kochen darf, oder ob er auf Kuttelsuppe umschwenken muss.
Kuttelsuppe, wie gesagt . . .