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Die Freunde der Todesschwadronen

Von Werner Hörtner

Politik

Moralische Erneuerung eines korrupten Polit- Systems blieb aus. | Zerstrittene Linke scheitert kläglich. | Wien/Bogotá. Der Paukenschlag vom vergangenen 26. Februar, als Kolumbiens Verfassungsgerichtshof eine neuerliche Kandidatur von Staatschef Uribe Vélez bei den Präsidentenwahlen Ende Mai untersagte, führte offenbar zu keiner Erneuerung des versumpften politischen Systems in dem südamerikanischen Staat. Kolumbien ist das einzige Land der Welt, wo Dutzende amtierende Abgeordnete im Gefängnis sitzen.


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Begonnen hat die Misere im Oktober 2006, als der Oberste Gerichtshof Anklage gegen mehrere Abgeordnete wegen ihrer Zusammenarbeit mit den rechtsextremen Todesschwadronen, den sogenannten Paramilitärs, erhob. Damit war das Schlagwort von der "Para-Politik" geboren, dieses dominiert seither die politische Diskussion im Land. Heute sind 14 aktive und sieben frühere Abgeordnete wegen der Para-Politik rechtskräftig verurteilt, gegen weitere 70 Parlamentarier der gegenwärtigen Legislaturperiode und 15 der früheren laufen Ermittlungen. Die meisten "Para-Politiker" stammen aus dem Lager von Präsident Uribe - bis hin zu seinen engsten Vertrauten und Mitarbeitern.

Glücksspielritterund Drogenbarone

Das kolumbianische Parlament besteht, ähnlich dem US-Kongress, aus Repräsentantenhaus und Senat. Beide Kammern - mit insgesamt 268 Abgeordneten - wurden am Sonntag neu gewählt. Doch die Hoffnungen, dass damit auch eine moralische Erneuerung des Kongresses einherginge, erfüllten sich nicht. Nicht nur, dass viele Parteien Parlamentarier der derzeitigen Legislaturperiode auf ihre Listen setzten; jene, die wegen ihrer Zusammenarbeit mit den Paramilitärs im Gefängnis sitzen, ließen Verwandte oder Strohmänner aufstellen, um auch in Zukunft ihre Interessen zu vertreten.

Aus Image-Gründen hatten einige Parteien angekündigt, keine Personen als Kandidaten aufzustellen, die guter Kontakte zu den Paramilitärs oder zur organisierten Kriminalität, vor allem dem Drogenhandel, verdächtigt werden. Um diesen Personen eine politische Heimat zu geben, konstituierte sich im vergangenen Dezember eine neue Gruppierung, die "Partei der Nationalen Integration" (PIN). An Geld mangelt es dieser neuen Partei nicht; die illegalen Geschäfte machen sich bezahlt. Auf Anhieb schaffte die neue Partei acht Sitze im Senat, darunter Héctor Julio Alfonso López, Sohn der an der Karibikküste berüchtigten Enilse López, auch "La Gata" genannt, die Katze. Gegen sie, die einst den gesamten Glücksspielhandel in dieser Region beherrschte, laufen Ermittlungen wegen ihrer Verbindungen zu den Paramilitärs. Von ihrem Hausarrest aus zog sie die Fäden, um mehrere ihrer Vertrauten in den Kongress zu bringen, was ihr auch gelang. Auch im Repräsentantenhaus wird die neue Partei stark vertreten sein und somit in der Legislaturperiode 2010 bis 2014 eine wichtige Rolle spielen.

Neben dem PIN gab es noch mehrere Wahlsieger an diesem 14. März. Die stärkste Fraktion im nächsten Kongress stellt die "Partei der Einheit" (Partido de la U), die auch bisher wichtigste politische Kraft des Uribismus, jenen den ausscheidenden Präsidenten Uribe unterstützenden Parteien. Ihr Vorsitzender Juan Manuel Santos wird als aussichtsreichster Kandidat für die Wahlen vom 30. Mai betrachtet. Seine Gruppierung stellt künftig etwa ein Viertel der Sitze in Senat und Repräsentantenhaus. Gut schnitt auch die Konservative Partei ab, eine der zwei traditionellen Parteien des Landes, die in den letzten Jahren Uribe unterstützte und nunmehr eigene Wege gehen will, weil sie sich mit ihrer Kandidatin Nohemi Sanín Chancen auf die Präsidentschaft ausrechnet.

Auch die neu gegründeten "Grünen", bestehend aus drei ehemaligen Bürgermeistern von Bogotá, absolvierten den Wahltag mit Erfolg. Ihre populärste Persönlichkeit, Antanas Mockus, wird diese unabhängige Gruppierung als Kandidat in die Präsidentschaftswahlen führen. Enttäuschend verliefen die Wahlen für die einzige Linksopposition im Lande, den "Demokratischen Pol" (PDA). Auf Grund interner Richtungsstreitereien und der enttäuschenden Amtsführung ihres Bürgermeisters von Bogotá, Samuel Moreno, verlor der "Polo" zwei seiner 17 Sitze im Senat.

Uribe ebnet Weg für Günstling Santos

Obwohl Uribe bei den Präsidentschaftswahlen am 30. Mai nicht antreten darf, besitzt der populäre Politiker mit seinen hervorstechenden demagogischen Fähigkeiten noch genügend Macht, um auf die Wahl seines Nachfolgers Einfluss zu nehmen. Am liebsten würde er Juan Manuel Santos, Ex-Verteidigungsminister und Sprössling einer der einflussreichsten Familien des Landes, das Präsidentenamt übergeben. Santos als Staatschef könnte auch seinen politischen Ziehvater davor schützen, ebenfalls der Para-Politik angeklagt zu werden. Mit dem Auslaufen seiner Amtszeit im kommenden August wird Uribe auch seine Immunität verlieren, was die Einleitung zahlreicher Ermittlungsverfahren zur Folge haben könnte.