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Die Froschperspektive auf Europa überwinden

Von Patrick Horvath

Gastkommentare
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Patrick Horvath ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Arbeitsgemeinschaft für wissenschaftliche Wirtschaftspolitik.

Eine neue Weltordnung ist im Entstehen, mit Playern wie China, Indien und Brasilien. Ihnen kann nur ein vereintes Europa auf Augenhöhe begegnen.


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Die EU-Wahlen 2014 rücken immer näher und werden von den Österreichern, wie eine neue Umfrage der Sozialwissenschaftlichen Studiengesellschaft gezeigt hat, für weitaus weniger wichtig gehalten als Nationalrats-, Landtags- oder Gemeinderatswahlen. Aus der Froschperspektive jener, die sich über Schlaglöcher in der Straße ärgern und in dieser konkreten Situation eher Hilfe vom Bürgermeister und nicht von Brüssel erwarten, mag dies verständlich sein - aber die wahre Bedeutung eines vereinten Europas für die Völker unseres Kontinents und die Vertretung ihrer Werte und Interessen wird dadurch natürlich verkannt.

Nun hat Paul Schmidt von der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik in einem Gastkommentar in der "Wiener Zeitung" Gedanken zur Zukunft des EU-Parlaments geäußert. Dort soll Österreich ja ab den nächsten Wahlen nur noch 18 statt bisher 19 Mandatare stellen. Man kann die Irrationalität des bisherigen Systems kritisieren, einen Punkt spricht Schmidt aber nur kurz an: dass es im Endeffekt nicht so sehr auf die Quantität der EU-Abgeordneten ankommt, sondern auf die Qualität ihrer Arbeit. Dieses Argument ist so wichtig, dass es unbedingt vertieft werden muss.

Abgeordnete wie Ernst Strasser, die sich mittlerweile für ihre Handlungen vor Gericht verantworten mussten, haben Österreichs Ansehen in Europa massiv geschadet. So ein Abgeordneter weniger ist kein Verlust für Österreich, sondern ein Gewinn. Die positiven Beispiele gibt es aber auch: Der Sozialdemokrat Hannes Swoboda gilt als sachlich kompetent, höchst aktiv und bestens vernetzt. Ist sich der durchschnittliche Österreicher darüber bewusst, dass er als Vorsitzender einer EU-weiten Fraktion über informelles Wissen und politisches Gewicht verfügt, das kaum ein nationaler Politiker besitzt, schon gar nicht als Vertreter eines Kleinstaates wie Österreich? Doch auch Otmar Karas von der ÖVP macht international eine gute Figur. Solche Abgeordneten zählen eigentlich zwanzigfach, hundertfach. Die mediale Debatte um einen Abgeordneten mehr oder weniger ist so gesehen wieder eine aus der Froschperspektive geführte.

Vielfach werden Politiker von den Wählern danach bewertet, ob sie in Europa für Österreich "viel herausgeholt" haben. Aber Europa ist nicht primär dazu da, um für Österreich "viel herauszuholen", genauso wenig wie die Republik Österreich primär dazu da ist, um für das Bundesland Niederösterreich "viel herauszuholen". Es sollte vielmehr darum gehen, das vereinte Europa in die Lage zu versetzen, in der Welt etwas für die Europäer "herauszuholen". Die europäische Handlungsfähigkeit wird aber durch nationales Besitzstanddenken behindert.

Die Froschperspektive auf Europa zu überwinden, bedeutet zu erkennen, dass eine neue Weltordnung im Entstehen begriffen ist, mit Playern wie China, Indien und Brasilien, und dass mit diesen nur ein vereintes Europa auf Augenhöhe verhandeln kann. Aufklärung zur Wichtigkeit Europas ist verstärkt zu leisten, am besten ab jetzt. Und nicht erst wieder einige Wochen vor den EU-Wahlen, wenn im Wahlkampfgetöse keine Zeit bleibt für ausführliche und differenzierte Argumente.