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Die Früchte der "Aktion scharf"

Von Vilja Schiretz

Politik

Warum die Asylantragszahlen sinken und Innenminister Karner trotzdem an Grenzkontrollen festhalten will.


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Niedrige Zahlen seien es nicht, meint Innenminister Gerhard Karner (ÖVP). Aber deutlich niedrigere als noch vor einigen Monaten. 2.662 Menschen haben im Februar um Asyl angesucht, im Oktober waren es noch fast sieben Mal so viele. "Die Maßnahmen wirken", konstatierte Karner bei einer Pressekonferenz , bei der er Bilanz über seine "Aktion scharf" gegen Schlepperei und Asylmissbrauch zog.

Seit dem Start der Aktion vor etwa zehn Monaten seien 700 Schlepper festgenommen worden - darunter "auch einige große Fische" betonte der Innenminister. Über 110.000 Migranten seien aufgegriffen und registriert worden, davon 75.000 im Burgenland. Neben Grenzkontrollen zu Slowenien, Ungarn und vorübergehend auch zur Slowakei seien auch Kontrollen im grenznahen Bereich zu Tschechien, Slowakei und Italien durchgeführt worden, auch an internationalen Grenzen am Balkan seien 130 österreichische Beamte im Einsatz. Im Bereich der Schnellverfahren, die bei Personen aus Ländern mit sehr geringer Chance auf Asyl durchgeführt werden, habe man mit 25.000 Verfahren mehr abgeschlossen als je zuvor, bilanzierte Karner. Insgesamt würden die Maßnahmen dazu führen, "dass das Asylsystem glaubhaft bleibt", auch in Zukunft wolle man "mit aller Kraft auf die Asylbremse" steigen.

Kontinuierlicher Rückgang bei Asylantragszahlen

Nach einem ständigen Anstieg der Asylantragszahlen ist seit dem Höhepunkt im vergangenen Herbst tatsächlich ein kontinuierlicher Rückgang zu verzeichnen. Alleine auf einen saisonalen Effekt - dass sich in der warmen Jahreszeit tendenziell mehr Menschen auf den Weg nach Europa machen - sei das nicht zurückzuführen, betont Karner. "Auch der November ist ein kalter Monat", so der Innenminister, damals seien die Antragszahlen aber noch deutlich höher gewesen als zuletzt.

Auch Migrationsforscherin Judith Kohlenberger sieht im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" mehrere Ursachen für den Rückgang. Im vergangenen Jahr habe sich ein "coronabedingter Rückstau" von Menschen auf dem Weg nach oder durch Europa abgebaut, "dieser Schwung ist jetzt durch", sagt Kohlenberger.

Ein weiterer Faktor, den sowohl Kohlenberger als auch Karner nennen, ist die veränderte Visapolitik Serbiens. Im vergangenen Jahr durften indische und tunesicher Staatsbürger noch ohne Visum in das Land am Westbalkan einreisen - für viele der Ausgangspunkt einer Weiterreise nach Österreich. Auf Drängen der EU hat Belgrad seine Visaregeln mittlerweile verschärft. Nachdem es vergangenes Jahr noch 30.000 Asylanträge von Indern und Tunesiern gegeben hatte, sei es heuer bisher laut Karner eine "einstellige" Anzahl gewesen.

Andererseits würden stärker befestigte Grenzen auch dazu führen, dass sich Migrationsrouten auf den Seeweg verlagern, sagt Kohlenberger. Die Balkanroute und damit Österreich als Zielland könnten dadurch an Bedeutung verlieren. Deutlich sichtbar sei das bereits an der griechisch-türkischen Grenze. Da diese am Landweg kaum noch passierbar sei, würden immer mehr Menschen stattdessen versuchen, per Schiff etwa nach Italien zu gelangen.

Dafür, dass sich die Migration zunehmend wieder auf den - nicht selten tödlichen - Seeweg verlagert, spricht auch, dass Italien in den vergangenen Tagen einen massiven Zustrom von Bootsflüchtlingen verzeichnete. 2.000 waren es alleine über das Osterwochenende. Nun rief Italien den Notstand aus.

Um zu beurteilen, was die hohen Ankunftszahlen für Österreich bedeuten, sei es noch zu früh, meint Kohlenberger. Insgesamt rechnet die Migrationsforscherin in den kommenden Monaten wieder saisonbedingt mit einem leichten Anstieg der Antragszahlen in Österreich, allerdings nicht im Ausmaß von 2022.

An den Grenzkontrollen zu Slowenien und Ungarn will das Innenministerium dennoch festhalten. Vor allem, dass die Kontrollen an der slowenischen Grenze bis mindestens November verlängert wurden, sorgte zuletzt für Ärger. Es würden kaum Geflüchtete über Slowenien nach Österreich gelangen, ärgerte sich der slowenische Botschafter Aleksander Gerzina. Auch der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser bemängelte, die Grenzkontrollen würden Pendler und Urlauber unnötig behindern.

Offene Fragen bei Gefängnis in bosnischem Flüchtlingscamp

Erklärungsbedarf gibt es in Österreich aber auch in Bezug auch eine Gefängniseinheit im bosnischen Flüchtlingscamp Lipa. In deren Bau sei auch Geld aus Österreich geflossen, prangerte die NGO SOS Balkanroute an, konkret über das "Internationale Zentrum für Migrationspolitik" (ICMPD) unter der Leitung von Ex-Vizekanzler Michael Spindelegger. In Lipa, so die NGO, würden Menschen festgehalten, die zuvor von der Polizei aus Kroatien zurückgedrängt wurden. Das ICMPD wehrt sich gegen die Vorwürfe, man sei nicht am Bau von Gefängniszellen beteiligt, lediglich im Bereich des "Beschaffungswesen" und der Kontrolle von Verträge sei man tätig.

Auch das Innenministerium betonte am Mittwoch, "weder in die Konzeption, noch in die Finanzierung oder in den Betrieb" involviert gewesen zu sein. Zahlungen für das Camp seien über die Internationale Organisation für Migration der Vereinten Nationen abgewickelt worden, in diese habe man "großes Vertrauen". Im Hinblick auf die Gefängniszellen fügte Karner allerdings hinzu, dass "bei Camps, wo Rückführungen durchgeführt werden müssen, entsprechende Maßnahmen zu setzen sind."