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Die fünfte Kolonne

Von Solmaz Khorsand und Bernd Vasari

Politik

Zuerst die Türken, dann die Rumänen und jetzt auch noch die Serben. Jeder will plötzlich mit einer eigenen Liste bei der Wien-Wahl kandidieren. Und die Öffentlichkeit schreit hysterisch auf. Eine Abrechnung.


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Wien. Politikberater reiben sich in diesem Sommer die Hände. Endlich können sie ihren Schützlingen einen neuen Kniff präsentieren. Einen, der sie ganz sicher in die öffentliche Wahrnehmung katapultieren wird - ohne viel Anstrengung, ohne Versprechungen, ohne Geldmaschinerie im Hintergrund. Es reicht ein einfaches Statement. Der Politshootingstar möge nachsprechen:

"Ich bin Migrant. Und ich kandidiere. Vielleicht."

Mehr braucht es dieser Tage nicht, um ins Rampenlicht zu rücken. Vor einer Woche war es der türkischstämmige Arzt Turgay Taskiran aus Simmering, vor ein paar Tagen der rumänische Ingenieur Sorin Popescu und nun ist es der serbische Unternehmer Marko Stijakovic. Sie alle wollen "Migranten" bei der kommenden Wien-Wahl eine Plattform bieten. Zu sehr hätten sie die herkömmlichen Parteien vernachlässigt. Mit ihrem Engagement soll sich das nun ändern. Endlich soll der Migrant gehört werden. Am besten von einem anderen Migranten.

Ihre Versprechen: unklar. Ihr Wahlprogramm: rudimentär. Und ob sie am 11. Oktober tatsächlich auf dem Wahlzettel stehen werden, steht auch noch in den Sternen. Doch das spielt keine Rolle. Ihre Ankündigungen allein fallen auf hysterischen Boden. Von einer Ethnisierung des Wahlkampfs ist die Rede. Akribisch wird hochgerechnet, wer in den potenziellen Wählerpool der neuen Phantomparteien fällt. Das Ergebnis: besorgniserregend. Jeder zweite Wiener hat Migrationshintergrund. Und 240.000 sind wahlberechtigt. 240.000 Stimmen.

Eine dunkle Vorahnung scheint sich zu bewahrheiten. Was wenn es ihn tatsächlich gibt? Den pawlowschen Reflex unter Migranten? Dass sie auf Zuruf jedem folgen, dessen Namen genauso unaussprechlich ist, wie der ihrige? Dass sie seit Jahren im Kollektiv, heimlich an einer Agenda basteln um das herrschende System zu unterwandern? Dass sie, die fünfte Kolonne, nur auf den idealen Zeitpunkt und auf die idealen Führer gewartet haben?

Dieser Zeitpunkt scheint jetzt gekommen zu sein. In knapp drei Monaten wird in Wien gewählt. Und auch die Führer haben sich geoutet. Die fünfte Kolonne ist somit bereit loszumarschieren.

Da wäre einmal der "Türke". Mit ihm fing alles an. Turgay Taskiran, ein in Mödling geborener Arzt, will sich gegen den Rechtsruck in der Stadt stark machen, sagt er. Er ist der Kandidat aus dem Bilderbuch eines jeden Verschwörungstheoretikers. Schließlich war Taskiran bis 2013 Präsident der Union Europäisch Türkischer Demokraten. Sie gilt als verlängerter Arm der konservativen türkischen Regierungspartei AKP von Recep Erdogan.

Für Taskiran ist das Schnee von gestern. Für die Öffentlichkeit nicht. Für sie bleibt er der Strohmann eines ausländischen Präsidenten, der nun eine "Moslempartei" ins Leben ruft. Ihm gilt es zu misstrauen. Selbst wenn - oder gerade weil - er ankündigt, mit FPÖ-Chef Heinz Christian Strache nach dem 11. Oktober koalieren zu wollen, wenn man so "gemeinsame politische Ziele umsetzen könnte", wie er dem Magazin "News" im Interview erklärt.

Kapital schlagen aus

dem Spiel "Wir gegen Euch"

Applaus für Taskirans politisches Engagement gibt es von seinem "Kollegen": dem "Serben" Marko Stijakovic. Der Unternehmer ist Präsident der Österreichisch-Serbischen Gesellschaft. Auch er will eine eigene Plattform gründen. Außerdem ruft Stijakovic "seine Landsleute" auf, die Wien-Wahl zu boykottieren, da "es keinen einzigen Serben mit einer aussichtsreichen Position auf den Wahllisten gibt".

Weniger Publicity genießt derzeit noch der "Rumäne" unter den politischen Shootingstars: der Ingenieur Sorin Popescu. Seine Partei "Rumän-Innen Partei Österreich" verspricht monatliche Lohnzahlungen für Hausfrauen und die 27,5-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich.

So sehen sie also aus. Die politischen Galionsfiguren der Migranten. Es sind drei Männer aus dem Nichts. Sie wissen das gesellschaftliche Klima für sich zu nutzen. Aus dem Spiel "Wir gegen Euch" erhoffen sie sich Kapital schlagen zu können. Und sei es nur um für wenige Minuten Aufmerksamkeit zu bekommen.

Eigentlich kennt man diese Figuren. Es gibt kaum einen Wahlkampf, bei dem sie nicht auftauchen würden. Sie kandidieren in der Regel für Parteien unter der Wahrnehmungsgrenze. Bei der Männerpartei, der EU-Austrittspartei oder der Revolutionär-Kommunistische Organisation Befreiung. Auch sie bereiten eine Kandidatur für die Wien-Wahl vor.

Nur werden sie von den Medien nicht herumgereicht. Ihre Wahlprogramme werden nicht durchgespielt. Egal wie krude diese sind. Die Biografien ihrer Kandidaten - sofern welche vorhanden sind - nicht durchleuchtet. Selbst für die Twitterblase bleiben sie uninteressant. Warum? Vor ihnen braucht man keine Angst zu haben. Denn ihnen fehlt das, worauf es hierzulande immer ankommt: der Migrationshintergrund.