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Die Fünfte Kolonne ist überall

Von Thomas Seifert

Politik

Nato-Generalsekretär Rasmussen beschuldigt Anti-Fracking-Umweltgruppen, Handlanger des Kreml zu sein.


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London/Moskau/Wien. Immer mehr Misstrauen, immer mehr Verdachtsmomente, immer neue Beschuldigungen. Die Beziehungen zwischen Russland und dem Westen sind auf einem neuen Tiefpunkt. Russland würde seine Truppen nicht - wie versprochen - von der russisch-ukrainischen Grenze abziehen, heißt es seitens der Nato. Russland würde die Separatisten im Osten der Ukraine direkt mit Mannschaften, Waffen und sogar Großgerät unterstützen, verlautet aus Nato-Kreisen. Und dann steht Russland noch im Verdacht, mit rechtspopulistischen Parteien in der Europäischen Union im Bunde zu sein; mit dem gemeinsamen Ziel, die EU zu zerschlagen und Europa zu schwächen.

Der Zürcher "Tagesanzeiger" berichtete über ein offenbar von einem Kreml-freundlichen russischen Oligarchen gesponsertes "Gipfeltreffen mit Wladimir Putins Fünfter Kolonne" in Wien, auf dem die Führer der russischen Eurasien-Bewegung mit westeuropäischen Rechtspopulisten zusammentrafen. Mit dabei: ein Mitglied aus dem Le-Pen-Clan, der die rechtspopulistische französische Front National im Griff hat, und Heinz-Christian Strache von der FPÖ.

Am Donnerstag legte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen bei einem Vortrag vor dem britischen Außenpolitik-Think-Tank "Chatham House" in London nach: "Ich habe mit Alliierten gesprochen, die mir berichteten, dass Russland als Teil einer ausgefeilten Informations- und Desinformationskampagne mit Nichtregierungsorganisationen, vor allem Umweltorganisationen, die gegen die Schiefergas-Erschließung kampagnisieren, zusammenarbeitet. Und zwar, um die europäische Abhängigkeit von russischen Gasimporten aufrechtzuerhalten." Rasmussen ging allerdings nicht in Details, welcher Natur die Zusammenarbeit zwischen den Umweltgruppen und Russland sein soll, und gab auch keine Informationen preis, welche Gruppen mit Russland in einem Naheverhältnis stehen sollen.

Die britische Tageszeitung "Financial Times", die üblicherweise zuverlässige Quellen nutzt, berichtet von Informationen aus Nato-Kreisen, wonach Russland versuchee, mögliche Schiefergas-Projekte in Europa zu hintertreiben, um die Gasabhängigkeit Europas von Russland aufrechtzuerhalten. Die EU ist zu einem Drittel von Öl- und Gaslieferungen aus Russland abhängig, die Hoffnung einiger Energie-Experten ist daher, mithilfe der umstrittenen Förderung von Schiefergas diese Abhängigkeit zu reduzieren.

Geht es im Konflikt umDonezk um Schiefergas?

Das Blatt zitiert auch ungenannt bleibende Experten, die in der Vergangenheit darüber spekuliert haben, dass eine der Motivationen Russlands für die Unterstützung der Separatisten in der Ostukraine sein könnte, die Entwicklung der Schiefergas-Förderung in der Ukraine zu verunmöglichen.

Royal Dutch Shell hat vergangenes Jahr ein Abkommen mit der Ukraine unterzeichnet. Nach diesem Vertrag soll Shell ein rund 8000 Quadratkilometer großes Feld, das rund um die umkämpfte Stadt Donezk liegt, entwickeln.

Denis Pushilin, einer der prominentesten Anführer der Separatisten in der Volksrepublik Donezk, war zuvor einer der Aktivisten, die "nur schütter besetze Proteste gegen die Gasexploration rund um Donezk organisiert haben", wie die "Financial Times" berichtet. Russland wurde auch verdächtigt, Proteste gegen das sogenannte Fracking in Rumänien und Bulgarien zu unterstützen - ein Vorwurf, der jedoch von den Umweltgruppen ins Reich der Verschwörungstheorien verwiesen wird.

Russlands Vorgehen gegen Umweltschützer

Tatsächlich ist das Verhältnis zwischen Russland und einigen internationalen Umweltgruppen nicht so gelagert, dass eine harmonische Zusammenarbeit denkbar scheint: 30 Männer und Frauen der Umweltorganisation Greenpeace wurden für mehr als zwei Monate - von 18. September bis 29. November 2013 - in russischer Gefangenschaft gehalten, nachdem sie gegen Ölbohrungen des russischen Energieriesen Gazprom in arktischen Gewässern protestiert haben. Russland wurde damals von den Greenpeace-Anwälten beschuldigt, die Verhaftung in internationalen Gewässern vorgenommen zu haben, zudem lautete die erste Anklage (sie wurde später abgeändert) auf Piraterie - ein Vorwurf, der sich recht bald als absurd herausstellte. In Russland wurden damals übrigens Stimmen laut, in denen wiederum die Umweltschutzorganisation beschuldigt wurde, mit dem Protest gegen die Erschließung der arktischen Öl- und Gasvorkommen durch Russland im Sinne westlicher Interessen zu handeln.

Rasmussen äußerte sich bei seiner Chatham-House-Rede auch zu einem angeblichen neuen Truppenaufmarsch im Grenzgebiet zur Ukraine. "Ich kann bestätigen, dass wir eine neue russische Militärpräsenz sehen, mindestens mehrere tausend zusätzlicher russischer Soldaten in der Nähe der Grenzen der Ukraine", sagte er in London.