Einigung bei der Regulierung der weltweiten Finanzmärkte nicht in Sicht. | Toronto. Den Journalisten vor Ort ist ein Planschbecken gebaut worden, über das ganz Kanada lacht. Zwei- bis dreitausend Medienvertreter werden zum G8- und G20-Gipfel in Kanada erwartet. Schließlich treffen sich ab Freitag in Deerhurst-Huntsville und ab Samstag in Toronto die Staats- und Regierungschefs der wichtigsten Wirtschaftsregionen, um über den Stand der globalen Dinge zu diskutieren. Lediglich 200 Presseleute sind zugelassen. | Schonkost statt strenger Diät für US-Finanzsystem | Hugo Braun von Attac Deutschland im Interview
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Für den Rest wurde im Medienzentrum ein "fake lake", ein künstlicher See eingerichtet. Der seichte Teich ist aufgeputzt mit Kanus und traditionellen Muskoka-Lehnstühlen, ein großer Bildschirm wird im Hintergrund Szenen aus der kanadischen Landschaft zeigen. Der kolportierte Preis: 2 Millionen Dollar.
Der nackten Zorn zog sich die Regierung um den Premierminister Stephen Harper allerdings zu, weil sie das prestigeträchtigere Treffen der G20-Vertreter nicht wie jenes der G8 im ländlichen Huntsville abhalten, sondern im Herzen von Toronto zwischen den Wolkenkratzern. In der Stadt kostet allein die in Betonklötze eingebettete Sicherheitsbarriere 4 Millionen Dollar - und 30.000 Menschen werden daran gehindert, an ihrem Arbeitsplatz zu erscheinen. Vor einigen Monaten hatte es noch geheißen, die Sicherheitsvorkehrungen würden einige hundert Millionen kosten. Jetzt sind sie abrupt auf eine Milliarde angewachsen. Futter für die Opposition und die breite Öffentlichkeit. Und das alles wofür?
Ein teurer "Fehlschlag"
Der künstliche See ist ein Sinnbild für den Gipfel der 20 wichtigsten Schwellen- und Industrieländer insgesamt: Aus den Reihen der Vorbereiter drang zuletzt immer wieder das Wort "Fehlschlag" an die Öffentlichkeit. Die Erwartungshaltungen sind extrem niedrig. Das Momentum, dass die Politiker noch im Herbst bei ihrem dritten und bisher letzten Treffen in Pittsburgh an den Tag gelegt hatten, ist verschwunden. Damals war man sich sicher, dass die globale Wirtschaftskrise nur mit einem international akkordierten Vorgehen gelöst werden kann. Seitdem kreisen die Schlagworte Finanztransaktionssteuer und Bankenabgabe durch die Luft. Die Finanzinstitute sollen dafür, dass sie von den Staaten und Steuerzahlern gerettet worden sind, etwas an den Staat zurückgeben. Die Positionen der Staatschef sind schon im Vorfeld klar, veröffentlicht und im Brief verschickt: Deutschland und Frankreich sind etwa für die Transaktionssteuer sowie für die Bankenabgabe. Großbritannien und die USA sind nur gegen die Transaktionssteuer. Russland will von beiden Instrumenten nichts wissen. Brasilien hat erst gegen die Bankensteuer Stellung bezogen, Australien will auch von der Transaktionssteuer nichts wissen.
Die Positionen scheinen verfahren zu sein. "Wenn nichts dabei herausschaut, verkommen diese Veranstaltungen durchaus zu Kaffeekränzchen", meint Otmar Höll, Direktor des Österreichischen Institut für Internationale Politik (OIIP). Trotzdem: Wenn Toronto ergebnislos bleibt, sei es auch ein gutes Zeichen für das Herbsttreffen in Seoul. Schließlich wurde das nächste Treffen in Korea zuletzt als Zeitpunkt für eventuelle Einigungen für den Finanzsektor genannt. Bei den Treffen gehe es viel um Atmosphärisches und das Aufbauen von Vertrauensverhältnissen. "Es ist auch ein Aufmunitionieren der Politiker für zuhause. Um dann im jeweiligen Heimland die Interessen der globalen Welt auch gegen den nationalen Widerstand vertreten zu können. Die Banken sind recht gut organisiert untereinander. Die Politiker sind das noch nicht. Da muss man etwas Verständnis haben", so Höll im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".
Der Politologe hofft, dass es die erst vor kurzem als Forum ins Leben gerufenen G20-Länder (statt des G8-Gipfels bei dem nur Industrienationen dabei sind) schaffen werden, ihre Positionen abzugleichen und spätestens in Seoul Ergebnisse präsentieren. "Sonst ist G20 als Forum in einem Jahr vergessen. Dabei werden die globalen Interdependenzen immer stärker. Als globales Forum ist die UNO zu behäbig. Auch der Internationale Währungsfonds ist viel zäher. Die G20 sind eine Zahl, die noch manövrierbar ist und sie vertreten einen Großteil der Weltbevölkerung."