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Die Gauner sitzen in der Topetage

Von Kid Möchel

Wirtschaft

Straftaten in Unternehmen meist von langjährigen, männlichen Chefs begangen. | Hauptmotiv für die "Selbstbedienung" ist meist Geldmangel.


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Linz/Wien. Gelegenheit macht Diebe. Österreichs Unternehmen machen es ihren leitenden Mitarbeitern oft sehr leicht, sich am Firmenvermögen zu vergreifen und zu bereichern. "Wir hatten kürzlich einen Fall, bei dem ein Lieferant einem führenden Mitarbeiter eines Unternehmens über Jahre hinweg für dessen privaten Hausbau Leistungen erbracht hat, unter anderem hat er Material geliefert", sagt Gert Weidinger, Forensiker des Wirtschaftsberatungsunternehmens KPMG.

"Diese Leistungen hat der Lieferant dann in Rechnungen an das Unternehmen hineinverpackt." Nachsatz: "Der Fall ist durch einen Zufall aufgeflogen, als der Mitarbeiter pensioniert wurde." Es wurde dabei hinterfragt, warum man zu diesem Lieferanten überhaupt eine Geschäftsbeziehungen habe, da dessen Leistungen mit dem Kerngeschäft nichts zu tun haben. "Es stellte sich heraus, dass bereits der Vorgänger des aufgeflogenen Mitarbeiters diese kriminelle Praxis ausübte", sagt Weidinger. "Ein Unrechtsbewusstsein war überhaupt nicht vorhanden."

Die Forensikexperten von KMPG International haben 348 Unternehmenskriminalfälle in 69 Ländern durchleuchtet und kommen in ihrer Studie "Wer ist der typische Betrüger" zu folgendem Täterprofil: In 82 Prozent der Malversationen haben die Täter eine Führungsposition inne und sind männlich; 41 Prozent der kriminellen Mitarbeiter sind zwischen 36 und 45 Jahre alt. Ein Drittel arbeitete in der Finanzabteilung, ein Viertel im Verkauf.

Rolle der Zulieferer

In fast der Hälfte der Fälle werden die Straftaten in "Zusammenarbeit" mit Lieferanten ausgeführt, bei einem Fünftel sind auch Kunden Komplizen. Detail am Rand: Die Zahl der kriminellen Vorstandsvorsitzenden ist seit 2007 von 11 auf 23 Prozent (2011) gestiegen.

"Je höher die Führungsposition angesiedelt ist, desto leichter setzt man Kontrollmechanismen außer Kraft", weiß Weidinger, der auch Gerichtssachverständiger in den Strafverfahren AMIS und Globe Invest ist. "Bei den Fällen, die wir untersucht haben, ging es um die erste, zweite und dritte Führungsebene." Zwei Drittel der Langfinger sind schon fünf Jahre im Betrieb, ein Drittel davon sogar zehn Jahre, bis sie auffliegen.

Schulden und Frust

"Das persönliche Motiv der Täter ist oft Geldmangel", sagt Weidinger. "Die Gelegenheit für die Straftaten ergibt sich dadurch, dass sie die internen Prozesse und die Lücken gut kennen. Dazu kommt die persönliche Rechtfertigung: Eigentlich steht es mir ja zu, ich werde schlecht bezahlt, oder ich habe bei der Umstrukturierung nicht den Posten erhalten, der mir zustünde." In der Regel handelt es sich um Wiederholungstäter und mit der Zeit wird die Zahl der Taten gesteigert.

Viele Unternehmen scheuen sich aber, kriminelle Mitarbeiter vor das Strafgericht zu bringen. Sie fürchten um ihre Reputation. Meist steht eine Schadenswiedergutmachung im Vordergrund. Weidinger: "Das Kalkül ist: Wenn der Täter verurteilt in Haft sitzt, tut er sich mit der Wiedergutmachung viel schwerer als jemand, der sich im vermeintlichen Einvernehmen vom Unternehmen trennt und aus seinem neuen Einkommen dazu beitragen kann."