Mit Rodrigo Duterte wird ein Mann Präsident, der sich als Anti-Establishment-Kandidat verkauft hat.
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Manila. Dass in Makati das Geld zu Hause ist, wird beinahe an jeder Straßenecke sichtbar. Hier, im Herzen der Metropolregion Manila, residieren die großen internationalen Banken in beeindruckenden Türmen aus Glas und Beton und in Luxuseinkaufszentren wie dem Greenbelt kann man Prada-Kostüme und Panerai-Uhren kaufen. Auch die teuersten Restaurants finden sich in Makati, das sich in den vergangenen Jahrzehnten zum wichtigsten Finanz- und Wirtschaftszentrum der Philippinen entwickelt hat.
Doch das stark schlagende ökonomische Herz ist nur ein winzig kleiner Ausschnitt des mittlerweile knapp 100 Millionen Einwohner zählenden Inselreichs. Und jenseits von Makati wird der Aufschwung nicht durch neue Bürohochhäuser oder Einkaufszentren markiert. In Lower Buhanginan, das knapp 50 Kilometer von Manila entfernt liegt, aber auch sonst überall auf den Philippinen sein könnte, heißt Fortschritt, dass nun ein dickes Bündel an blauen Leitungen ins Dorf führt und die Bewohner zum ersten Mal in ihrem Leben fließendes Wasser haben. Dass die Wirtschaftsleistung der Philippinen in den vergangenen Jahren um durchschnittlich sechs Prozent zugelegt hat, scheint an Orten wie Lower Buhanginan nur schwer vorstellbar.
Rodrigo Duterte dürfte kleinen schäbigen Dörfern wie Lower Buhanginan viel zu verdanken haben. Denn der 71-Jährige, der am Montag mit großer Mehrheit zum neuen philippinischen Präsidenten gewählt worden ist, steht für einen radikalen Bruch mit der bisherigen politischen Elite, der von vielen ein massives Versagen bei der Bekämpfung von Armut, Ungleichheit und Korruption vorgeworfen wird. Bereits in wenigen Monaten will der bisherige Bürgermeister der Provinzstadt Davao, der die geballte Faust zu seinem Symbol gemacht hat, im Land für Ordnung gesorgt haben.
Der Trump Asiens
Dass er anders als die anderen Politiker ist, hatte Duterte bereits im Wahlkampf klargemacht. Der aus ärmlichen Verhältnissen stammende Jurist drohte damit, das Kriegsrecht zu verhängen, und versprach, gnadenlos gegen Kriminelle vorzugehen. Immer wieder kokettierte Duterte, dem enge Verbindungen zu Todesschwadronen vorgeworfen werden, dabei auch mit der Ermordung von Verbrechern. Wenn er Präsident werde, sagte der 71-Jährige, sollten gleich einmal mehr Bestattungsinstitute eingerichtet werden.
Doch auch abseits der radikalen Law-and-Order-Rhetorik zeigte der Mann, der in den vergangenen Wochen häufig mit US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump verglichen wurde, keine Angst vor irgendwelchen Tabubrüchen. Über ein ermordetes Vergewaltigungsopfer sagte er, die Frau sei so schön gewesen, dass er am liebsten als erster "dran" gewesen wäre. Zuvor hatte Duterte, der gerne mit seinen sexuellen Leistungen und seinen beiden Geliebten prahlt, auch schon Papst Franziskus als "Hurensohn" beschimpft. Dass es Duterte am Montag trotz dieser Entgleisungen gelungen ist, Ex-Innenminister Mar Roxas und die unabhängige Senatorin Grace Poe deutlich auf die Plätze zu verweisen, hat nach Ansicht von Politikbeobachtern vor allem mit seiner Amtszeit in Davao zu tun. Denn auch wenn seine Gegner dem 71-Jährigen vorwerfen, für jedes Problem eine einfache Lösung zu haben, müssen sie gleichzeitig anerkennen, dass die Stadt heute eine andere ist. War Davao früher von Kriminalität zerfressen, wird nun sogar das Tempolimit von 30 Stundenkilometern penibel eingehalten. Auch die Straßen sind blitzsauber gefegt und Minderjährige dürfen nach 22 Uhr nicht mehr unbegleitet auf die Straße. Duterte habe in Davao aufgeräumt, sagt die Politologin Clarita Carlos.
Für Menschenrechtsaktivisten stehen Dutertes Errungenschaften allerdings in keinem Verhältnis zur drohenden Gefahr. Zu groß ist ihrer Meinung nach das Risiko, dass die Philippinen unter dem neuen Präsidenten in ähnlich düstere Zeiten wie unter der Diktatur von Ferdinand Marcos, der 1986 in einem Volksaufstand gestürzt wurde, abgleiten. Auch der nun scheidende Präsident Benigno Aquino hatte zuletzt vor "derselben Tyrannei und denselben Problemen" gewarnt.
Hauptsache neu
Für den Hotelangestellten Jordan Manalo, der sich am Montag schon zeitig vor seinem Wahllokal in Manila angestellt hat, um Duterte seine Stimme zu geben, spielen solche Bedenken allerdings nur eine untergeordnete Rolle. "Ich will jemanden Neuen, jemanden, der über das Übliche hinausgeht", sagt der 24-Jährige. "Und wenn wir dafür ins Extrem gehen müssen. Warum nicht?"