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Früher einmal waren die Medien eine Hilfe, wenn es darum ging, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Mittlerweile muss man schon sehr genau hinsehen, will man nicht die neueste Kehrtwende im Streit zwischen der grünen Volksfront und der Volksfront für die Grünen oder das gefühlt hundertste Dementi vorgezogener Nationalratswahlen durch Vertreter der Regierungsparteien für die gewichtigere Nachricht halten als die Sorge vor einer möglichen militärischen Konfrontation der Großmächte wegen Syrien und Nordkorea.
Aus heutiger Sicht ist es einigermaßen schwierig, den Zeitpunkt genau zu bestimmen, an dem eine gewiss in Österreich vorhandene Neigung zur Selbstüberschätzung in die Gegenrichtung kippte und zur freiwilligen Selbstverkleinerung mutierte. Vielleicht war es aber auch nur eine natürliche Trotzreaktion: Es kann ja sein, dass die Bürger damit angefangen haben, ihren eigenen Politikern nichts mehr, oder jedenfalls nichts Großes mehr zuzutrauen, woraufhin die Politiker beschlossen, es mit gleicher Münze zurückzuzahlen: Künftig würden eben auch sie ihren Bürgern nur noch Kindereien und Als-ob-Politik zumuten.
Womöglich war es aber auch umgekehrt. Genau lässt sich das schwer zweifelsfrei feststellen. Man kennt das ja vom Henne-Ei-Problem.
Protest trifft auf Gegenprotest: Das ist quasi die optimistische Interpretation angesichts der Infantilisierung der hiesigen politischen Verhältnisse. Ein Pessimist könnte allerdings auch durchaus zu dem Schluss kommen, daran sei nichts Freiwilliges, nichts Bewusstes, beide Seiten - also Bürger wie Politiker - wüssten es nicht anders.
Sollte die optimistische Variante näher an der Wirklichkeit sein, bleibt immerhin die Hoffnung, dass eher früher als später wenigstens eine der beiden Seiten mit der Suche nach einem Weg aus dieser verfahrenen Situation beginnt. Für die Lösung alltäglicher Blockaden hat sich die Devise bewährt, wonach der Klügere nachgibt. Die Zuschreibung höherer Intelligenz für denjenigen, der in der Sache einlenkt, ist ein nahezu brillanter Ausgleichsmechanismus.
Für die Innenpolitik ist noch nicht absehbar, wer lieber recht behält und wer mehr Wert darauf legt, doch als der Klügere dazustehen. Das birgt das Risiko, dass am Ende Bürger wie Politiker als die Blöden dastehen.