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Die Gefahr der Terrorfalle

Von Veronika Gasser

Politik

"Es ist das Ziel aller terroristischen Gruppierungen, den Gegner zu kriegerischen Gegenschlägen zu verleiten, welche den Terroristen wiederum eine größere Resonanz bei der betroffenen Bevölkerung verschaffen." Diese Analyse der aktuellen Situation vom Präsidenten des Österreichischen Friedensforschungszentrums Schlaining, Gerald Mader, warnt vor unabsehbaren Folgen der "Terrorfalle", in welche die USA auch Europa mithineinziehen könnten, wenn die Partner jetzt nicht Besonnenheit walten lassen.


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Die Terrorangriffe gegen die USA seien eine nationale Tragödie, die vor dem Hintergrund eines erweiterten Nahost-Konfliktes zu sehen ist. "Es ist ein Krieg der neuen Dimension, an dessen Spitze gesellschaftliche Gruppen stehen, die sich ungerecht behandelt fühlen." Auch Mader vermutet, dass die Wurzel der Attentate im Fanatismus zu suchen sind. Ein Fanatismus, der auf beiden Seiten am Köcheln gehalten werde. Jetzt schon zeichnet sich die Tendenz ab, dass die Moslems generell als böse verteufelt würden. "Sie werden behandelt wie Japaner zur Zeit des Zweiten Weltkriegs."

Das Ziel der Terroristen: Der Weltbürgerkrieg

"Das Ziel der Terroristen ist es, einen Weltbürgerkrieg zwischen den USA respektive der westlichen und der arabischen Welt zu provozieren", analysiert der Jurist, der sich dem Konflikt- und Terrorstudium verschrieben hat. Und je härter und brutaler Amerika nun reagieren werde, umso eher gehe die Rechnung der Terroristen auf. "Damit wird die Gewaltspirale aber erst in Gang gesetzt." Auch die arabischen, gemäßigten Regierungen stünden auf dem Prüfstand, denn sie seien den Terroraktivisten ebenfalls ein Dorn im Auge. "Wenn die Amerikaner im Gegenzug nur darauf los bombardieren, ziehen sie sich nur den Unmut der arabischen Länder und der betroffenen Zivilbevölkerung, die zu 90 Prozent gegen das eigene Regime ist, zu."

Ein unüberlegter Racheakt erzwinge Solidarität und Ungerechtigkeitsempfinden, wenn beispielsweise bei Luftangriffen die Zivilbevölkerung geopfert werde. In Folge dessen würde der Hass gegen die USA wieder angeheizt, und damit bekämen Fundamentalisten und Hardliner gegen den Westen nur Wasser auf ihre Mühlen und stärkeren Zulauf. "Es ist sicher kein Ausweg, die Anschläge mit gleicher Münze heimzuzahlen." Natürlich käme ein solches Szenario dem Gut-Böse-Schema mancher Amerikaner sehr gelegen. Seit 10 Jahren sei man auf der Suche nach einem "Feind", der mittlerweile, obzwar noch verborgen, endlich existiert. "Europa ist jetzt gefordert. Es muss eine übertriebene Gewaltpolitik verhindern." Erste Zeichen einer solchen Bremsung erkennt Mader in den Solidaritätsbekundungen der Bündnispartner: "Es ist eine Solidarität mit Vorbehalt."

NATO-Attacke wäre kein Verteidigungskrieg

Die Ankündigung eines möglichen NATO-Angriffs auf Afghanistan wäre völkerrechtlich nicht haltbar. "Das wäre ein Angriffs- und kein Verteidigungskrieg", betont Mader, der allerdings vermutet, dass in der jetzigen Situation Völkerrecht für die USA keine Rolle spielen wird. Doch Verbündete wie Deutschland könnten in Bedrängnis kommen. "Denn in Deutschland muss über einen Kriegseinsatz im Parlament abgestimmt werden." Eine Kriegsbeteiligung Österreichs bestimme der Kanzler und die Außenministerin. Die drohende Gefahr ist, dass der Wahnsinn mit Wahnsinn bekämpft wird. Besser wäre es, ausgesuchte Geheimtruppen gezielt einzusetzen. "Doch damit kann man öffentlich nicht Stärke demonstrieren."