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Die Gefahr des syrischen Waffenarsenals

Von David Ignatius

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Das Regime von Bashar al-Assad bastelt offenbar weiter an Chemiewaffen, diese könnten auch anderen Gruppen in der Region in die Hände fallen.


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Berichte aus zwei syrischen Chemiewaffenanlagen liefern bedrückende neue Beweise, dass das Regime von Präsident Bashar al-Assad voriges Jahr Spezialfahrzeuge entwickelt hat, um die Waffen zu transportieren und zu mischen - und die unbestätigte Anschuldigung, libanesische Verbündete des Regimes, vermutlich von der Hisbollah, wären vor elf Monaten für den Einsatz der Waffen ausgebildet worden.

Eine syrische Quelle gab mir letztes Wochenende in einem Telefongespräch einen Bericht, bezogen auf Mitteilungen eines syrischen Überläufers, der innerhalb des Chemiewaffennetzwerks tätig war. Der Mann informierte mich von einem arabischen Land außerhalb Syriens aus, wohin er geflohen ist. Arrangiert wurde unser Gespräch von der "Syrian Support Group", einer Organisation in Washington, die für gemäßigte Teile der oppositionellen Freien Syrischen Armee spricht. Die syrischen Quellen wollen die USA vor Gefahren in Syrien warnen, zum Teil in der Hoffnung, sie zu mehr Engagement zu bewegen.

Erinnern sollte man sich dabei an den irakischen "Curveball" genannten Überläufer, der vor einem Jahrzehnt Angaben über Chemiewaffen im Irak machte, die mit zum Krieg führten, sich dann aber als Erfindungen herausstellten. Um den syrischen Bericht zu erhärten, habe ich ihn also anhand gut unterrichteter unabhängiger Quellen geprüft, die einige Details bestätigten.

Dem Bericht des Überläufers zufolge entfernten zwei hochrangige syrische Offiziere im Jänner 2012 rund 100 Kilo Ausgangsmaterial für Chemiewaffen von einem geheimen Militärstützpunkt in Nasiriyah, 50 bis 60 Kilometer nordöstlich von Damaskus.

Die Offiziere brachten die Chemikalien laut syrischer Quelle in ein Zivilfahrzeug und überquerten die Brücke in Richtung Libanon. Zwei Tage später sollen zwei Männer mit libanesischem Akzent in Nasiriyah angekommen und unterwiesen worden sein, wie die Chemikalien zu verbinden und zu aktivieren sind.

Der syrische Informant beschrieb auch den Ausbau von Mercedes- und Volvo-Speziallastern zu mobilen Labors, mit dem im Sommer 2011 begonnen wurde, ein paar Monate, nachdem Revolutionäre angefangen hatten, Assads Regime anzugreifen.

Menschen, die im Nasiriyah-Stützpunkt arbeiteten, berichteten häufig über Besuche von Maher al-Assad, Bruder des Präsidenten, der eine "Republikanische Garde" genannte Eliteeinheit kommandiert. Er gilt als militärischer Führer der brutalen Kampagne gegen syrische Rebellen, durch die es in den letzten zwanzig Monaten zu geschätzten 40.000 Todesfällen kam.

Was ist all dem zu entnehmen? Erstens, dass Syriens Kapazität zur chemischen Kriegsführung noch gefährlicher als angenommen sein könnte. Und zweitens, dass ein beträchtliches Risiko der Verbreitung auf andere Gruppen wie der Hisbollah besteht, was eine weltweite Terrorgefahr darstellen könnte.

Diese Informationen bestätigen, dass der Krieg in Syrien den Samen zu einem größeren und gefährlicheren Konflikt enthält. Das Warnsignal leuchtet: Dringend handeln und mit Bedacht.

Übersetzung: Redaktion

Siehe auch:Originalfassung "A defector's chilling report"