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Konfliktpotenzial bei Arbeitern und Studenten. | Peking/Wien. Am Beginn stand das Verbot eines Drachentanzes, wie er zu den traditionellen Feiern des neuen chinesischen Jahres gehört. Die Sicherheitsgründe, die ins Treffen geführt wurden: Die Drachentänzer würden Feuerwerkskörper an ihren Kostümen tragen und gleichzeitig Alkohol konsumieren. Es folgte ein am Sonntag ein Protesttanz in der Verwaltungsmetropole der südwestchinesischen Provinz Guizhou und Zusammenstöße mit der Polizei, die diesen unterbinden wollte. Zwischen 2000 und 10.000 Menschen waren beteiligt, mindestens drei Polizisten und zehn Zivilpersonen wurden verletzt.
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Dieser Vorfall zeigt die Spannungen in den ländlichen Regionen Chinas, auch wenn es meist um ernstere Anlässe geht: Mangelnde Entschädigung für Landkonfiskationen, Korruption und Umweltverschmutzung gehören zu den häufigsten. 2007, im letzten Jahr, für das Zahlen vorliegen, stieg die Zahl solcher Proteste auf 80.000 gegenüber 60.000 im Jahr davor. Heuer könnten es noch mehr werden, fürchtet die chinesische Führung. Denn die Wirtschaftskrise sorgt dafür, dass Millionen Wanderarbeiter, die bisher in den urbanen Metropolen ihre Familien am Land mitversorgten, arbeitslos werden. Die offiziellen Arbeitslosenzahlen, in denen Wanderarbeiter nicht erfasst sind, steigen gleichfalls.
Zu den Jobsuchenden in den Städten gehören nun auch Akademiker, denen bisher gute Aussichten winkten. Das erinnert die Regierung unangenehm an die Studentenunruhen von 1989, die vor 20 Jahren aus ähnlichem Anlass ausbrachen und mit dem Massaker am Tienanmen-Platz in Peking blutig endeten. Bisher sind die Studenten allerdings ruhig geblieben. Trotzdem fühlte sich die zentrale Militärkommission bereits genötigt, das Militär zu absoluter Gehorsamkeit gegenüber der Kommunistischen Partei aufzufordern. Auch die Aufrechterhaltung der Gesellschaftsordnung sei die Aufgabe der Streitkräfte, erklärte die KP-Führung in Peking.
Noch hofft diese allerdings darauf, die soziale Unruhe in Zaum halten zu können. Bisher beschränkte sie sich auf Proteste gegen die lokalen Verwaltungen und richtete sich nicht gegen die Partei. An die örtlichen Funktionäre appellierte denn auch Chen Xiwen, Direktor der Gruppe für den ländlichen Raum, die die Regierung berät: Sie sollten persönlich an die Front gehen, statt die Proteste niederschlagen zu lassen. Nur bei extremen Fällen von Gewalt solle die Polizei gerufen werden.
Zusätzlich sollen Milliarden in den ländlichen Raum gepumpt werden, sieht das Konjunkturprogramm vor. Die Regierung hofft, dass die Wanderarbeiter dorthin zurückkehren, wie sie es in der Vergangenheit bei ähnlichen Krisen immer getan haben. Diesmal könnte die Bereitschaft dazu aber geringer sein. Und dann droht neben dem Protest noch eine andere Folge sozialer Not: Schon steigt in den Städten die Kleinkriminalität.