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"Die Gefährdung der Grund- und Freiheitsrechte liegt in der Luft"

Von Petra Tempfer

Politik
Wolff forderte eine Rücknahme von Grundrechtseingriffen, "die zu Beschneidung und Beschränkung führen", zum Beispiel von Überwachungsmaßnahmen wie der Videoüberwachung.
© Moritz Ziegler/Wiener Zeitung

Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag nahm die Entwicklung der Rechtsstaatlichkeit unter die Lupe.


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Wien. Vor 150 Jahren wurde die Advokatur durch die neue Advokatenordnung freigegeben - seitdem werden Rechtsanwälte nicht mehr von den Ministern ernannt. Das bedeutet, dass der Beruf frei und von jedermann ausgeübt werden kann. "Es ist somit unser Auftrag, alles zu tun, um die Rechtsstaatlichkeit zu verbessern", sagte Rupert Wolff, Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages (Örak), am Montag.

Um deren Entwicklung statistisch erfassen zu können, stellt der Örak mit der "Fieberkurve des Rechtsstaates" seit 2016 Vergleiche spezieller elf Bereiche an. Besonders alarmierend sei, so Wolff: "Die Gefährdung der Grund- und Freiheitsrechte liegt in der Luft." Am schlechtesten stehe es jedoch um den Wirtschaftsstandort.

Für den aktuellen Bericht wurden 410 der insgesamt 6300 Anwälte zur Situation befragt und Quellen wie Transparency international, Eurostat und World Justice Project herangezogen. Der Bericht entstand in Kooperation mit dem Forschungsinstitut für Rechtsentwicklung der Uni Wien und der Unternehmensberatung Obergantschnig Management Partners.

Demnach zeigen alle drei Indikatoren des Bereichs Wirtschaftsstandort, nämlich Unternehmensgründungen, Abwicklung von Insolvenzen und Einklagen von Vertragsinhalten, eine negative Tendenz. Wolff forderte unter anderem die Senkung der Gerichtsgebühren bei hohen Streitwerten.

Weniger Überwachung gefordert

Am zweitschlechtesten schnitten die Grund- und Freiheitsrechte wie Grundrechte allgemein, Zugang zum Recht, Anzahl der Verurteilungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sowie Pressefreiheit ab. Fast die Hälfte der Anwälte geht davon aus, dass sich dieser Bereich in den kommenden zehn Jahren weiter verschlechtern wird. Und das, obwohl die Grund- und Freiheitsrechte für mehr als die Hälfte (53,2 Prozent) mit Abstand am wichtigsten sind. An zweiter Stelle (10 Prozent) stehen die Qualität und Stabilität staatlicher Strukturen.

Wolff forderte eine Rücknahme von Grundrechtseingriffen, "die zu Beschneidung und Beschränkung führen", zum Beispiel von Überwachungsmaßnahmen wie der Videoüberwachung. Er kritisierte, dass die Frist zur Anmeldung für Versammlungen von 24 auf 48 Stunden ausgeweitet wurde. Auch bei der anwaltlichen Verschwiegenheit gebe es "Verbesserungsbedarf".

Verbesserungen gab es zum Beispiel bei der Qualität der Gesetzgebung, hier ist man laut Wolff allerdings auf einer schlechten Basis 2016 gestartet. Wolff forderte daher verbindliche Standards im Gesetzgebungsverfahren wie eine Mindest-Begutachtungsfrist von sechs Wochen. Aktuell werde diese in 75 Prozent der Fälle unterschritten.