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Das 0:2 gegen Ungarn stellt das ÖFB-Team vor eine neue Situation. Und es erinnert, wie nahe Euphorie und Frust beinsammen liegen können.
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Marcel Koller hat mit der ÖFB-Elf in vier Jahren vier Pflichtspiele verloren. Das 0:2 gegen Ungarn war aber die erste richtige Pleite; also eine Niederlage, für die man vielleicht Schicksal (Stange) und Referee (Rot) verantwortlich machen kann, bei der es aber nichts Positives gibt, an dem man sich nun aufrichten könnte. Das war bisher anders. Selbst das 1:2 im Entscheidungsspiel zur WM 2014 in Schweden war zwar bitter, aber auch eine gute Leistung. Sie war sogar so gut, dass Koller das dringende Bedürfnis verspürte, weiterzumachen statt Schweizer Teamchef zu werden. Diesmal war nichts gut. Das ist neu.
Diese Situation birgt zwei Gefahren. Erstens ist eine Fußballmannschaft ein fragiles Konstrukt, errichtet aus höchst unterschiedlichen Charakteren. Unter Koller hat dieses Konstrukt gut funktioniert, doch das kann sich im Fall eines Totalversagens ändern. Ein unüberlegtes Wort hier, Kritik an einem Mitspieler dort, und schon fällt so ein Teamkonstrukt in sich zusammen, vielleicht nur kurzfristig, aber ein Turnier ist schnell vorbei. Ist ja auch schon oft genug passiert, übrigens auch Österreich.
Zweitens: Das gute Verhältnis zwischen Trainer und Team ist grundsätzlich essenziell und hat bisher auch gepasst. Koller hat seinen Spielern vertraut, die Kicker vertrauten Koller, dass er die richtigen Ideen hat. Bei den Aussagen des Teamchefs nach dem Ungarn-Spiel klang aber erstmals so etwas wie Unverständnis über die Leistung seiner Elf durch. "Wir hatten zu viele Ballverluste, die ich so nicht kannte", sagte Koller. Und Kapitän Fuchs erklärte, dass man nicht ins gewohnte Pressingspiel gefunden habe. Weil man die Partie vielleicht doch auch taktisch falsch anging?
Nach so einem Spiel, in dem wenig funktioniert, besteht immer die Gefahr, dass das gegenseitige Vertrauen vorübergehend kleine Risse bekommt. Das wäre problematisch.
Und dann ist da noch der Ausblick auf ein frühes Scheitern. So enttäuschend es natürlich wäre, die gute Chance einer relativ gnädigen Auslosung zu vergeigen, sind derartige negative Überraschungen bei Turniern nicht ungewöhnlich. Ist auch anderen schon passiert, sogar Weltmeistern. Das spezifische Problem Österreichs ist aber der geradezu bipolare Zugang der heimischen Öffentlichkeit. Sie kippt ebenso schnell in große Euphorie wie im Fall von Enttäuschungen in Depression. Vor der EM hatten manche den Titel in Erwägung gezogen, was natürlich absurd war, bei einem Scheitern würden dann (vermutlich) dieselben einen Rückfall in Färöer-Zeiten prognostizieren. Entweder oder.
Und das ist die Gefahr für die Zeit danach. Einerseits stehen noch heuer wichtige Spiele in der WM-Qualifikation an, andererseits soll auch die Entscheidung über den Bau eines neuen Nationalstadions fallen. Sollte die Gemütslage wieder total ins Negative kippen, drohen Spiele im halbleeren Stadion, und es wäre wohl fraglich, ob die Politik dann 200 bis 300 Millionen Euro für ein neues Stadion freigibt. Keine Frage, das ist viel Geld in Zeiten knapper Kassen. Andererseits: Für zwei Wochen Ski-WM in Schladming flossen 250 Millionen Euro. Es ist halt immer auch eine Frage der Wertigkeit, und die hat der Fußball nur in Zeiten der Euphorie. Noch ist diese Zeit nicht vorbei. Wenn Team und Trainer die Ungarn-Partie richtig verarbeiten: Warum sollte man nicht gegen Portugal gewinnen? Es wäre wichtig.