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Die gefährlichste Form der Zensur

Von Judith Belfkih

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Tag der Pressefreiheit. Im Jahr 2016 kaum ein Grund, um zu feiern. Journalistisch tätig zu sein, ist in vielen Ländern der Erde gefährlicher denn je. 2015 wurden 110 Medien-Angestellte getötet. Heuer sind es bereits 13. Dazu sind laut Reporter ohne Grenzen 322 Journalisten aufgrund freier Meinungsäußerung in Haft. Nicht nur in fernen Diktaturen. Aktuell macht hier die Türkei von sich reden - durch inhaftierte Redakteure und Einreisesperren für ausländische Journalisten. Keine rosigen Zeiten. Weder für Journalisten noch für die Staaten, in denen mit einem der Grundwerte der Demokratie auch die gesellschaftliche Stabilität ins Wanken gerät.

Im deutschsprachigen Raum ist - jenseits von exponierten Fällen wie dem von Jan Böhmermann - von derartigen Einschränkungen nichts zu spüren. Und dennoch schlägt auch hier die gesellschaftliche Stimmung auf die Medien durch. Was im rechten Lager als "Lügenpresse" angeprangert wird, lässt sich nicht einfach vom Tisch wischen. Das Vertrauen in klassische Medien ist erschüttert. Nicht erst seit Köln, wo aus Angst davor, rassistische Stimmungen zu schüren, vorerst gar nicht über die sexuellen Übergriffe berichtet wurde. Die Zensur kam hier aus den Redaktionen selbst und verstieß klar gegen die Grundregeln von Qualitätsjournalismus. Einzelfall ist das wahrscheinlich keiner. Die Angst, mit kritischen Themen die Falschen zu munitionieren, kennen viele. Diese politisch motivierte Selbstzensur ist die gefährlichste Form der Zensur. Sie scheint in keiner Statistik auf. Und tut dabei so, als wäre sie ein Teil der Pressefreiheit.

Siehe dazu auch: Medienfreiheit wird in Russland zur Farce