London - Im skandalgeplagten britischen Königshaus gilt sie als makellose Verkörperung der besten Traditionen. In der Beliebtheit bei der Bevölkerung schlägt sie sogar ihre Tochter, Queen Elizabeth II., und all die anderen sowieso. In schwierigen Situationen, wie bei der Thronkrise im Jahr 1936 und in den Jahren des Zweiten Weltkriegs gab sie Millionen Briten Hoffnung. Adolf Hitler nannte sie deshalb einmal "die gefährlichste Frau Europas". Heute feiert die "Queen Mum", wie sie von ihren zahlreichen Fans genannt wird, ihren 100. Geburtstag und die Begeisterung der Briten über dieses seltene Ereignis kennt keine Grenzen.
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Als neuntes von zehn Kindern des schottischen Adeligen Claude George Bowes-Lyon, Earl of Strathmore and Kingshorne und der Lady Nina-Cecilia Cavendish-Bentick aus der Familie des Herzogs von Portland wurde Elizabeth Angela Marguerite am 4. August 1900 in London geboren. Um den Geburtsort gab es längere Zeit Rätselraten, denn der adelige Herr Papa reiste nach der Geburt seiner Tochter auf eine längere Krikettpartie und ließ seine Tochter erst sechs Wochen später ins Geburtsregister eintragen. Das kostete ihn eine saftige Verwaltungsstrafe und hätte ihm sogar Gefängnis einbringen können, hätte der Standesbeamte gewusst, dass das Kind nicht - wie vom Vater angegeben - im heimatlichen Schloss in St. Paul´s Waldenbury bei Hitchin in der Grafschaft Hertfordshire, sondern in London geboren war.
Die Jahre ihrer Kindheit und Jugend verbrachte Elizabeth im väterlichen Schloss und erhielt die damals übliche Ausbildung für höhere Töchter - Schönschrift, Französisch, Mathematik, Klavier. Der erste Weltkrieg, in dem 1915 einer ihrer Brüder fiel, brachte Abwechslung in das landadelige Leben, wurde doch im väterlichen Schloss ein Lazarett eingerichtet. Lady Elizabeth und ihre Schwestern nähten und strickten für die Soldaten an der Front.
Bei einer Soiree im Juni 1920 sollte ihr Leben dann eine grundsätzliche Wendung erfahren. An diesem Abend traf sie erstmals den zweiten Sohn des damaligen Königs Georg V., den Herzog von York, der sich in die noch nicht ganz 20-jährige verliebte. Ein halbes Jahr später machte Prinz Albert ihr seinen ersten Heiratsantrag, wurde aber ebensowenig erhört wie bei weiteren Anträgen im folgenden Jahr. Erst als Gerüchte in Umlauf kamen, sie warte eigentlich auf einen Antrag des Thronfolgers Edward, entschloss sich Elizabeth Bowes-Lyon im Jänner 1923 den Bruder des Thronfolgers zu erhören. Am 26, April 1923 fand die Hochzeit in der Westminster Abbey statt, die erste Eheschließung eines englischen Prinzen an diesem Ort seit mehr als 500 Jahren. Lady Elizabeth war auch die erste Frau, die nicht dem Hochadel entstammte und legitim in das englische Königshaus einheiratete.
1926 und 1930 wurden die beiden Töchter Elizabeth und Margaret geboren und die Yorks führten ein geruhsames Leben. Das sollte sich aber 1936 schlagartig ändern, als König Georg V. starb und sein Nachfolger Edward VIII., der Bruder Alberts, wegen seiner Liebe zu der verheirateten und schon einmal geschiedenen Wallis Simpson im Dezember auf den Thron verzichtete.
Albert folgte ihm auf dem Thron und nahm als König den Namen Georg VI. an. Elizabeth, die Wallis Simpson nicht leiden konnte und schon vor der Thronaffäre jeden Kontakt mit ihr mied, drängte ihren Mann dazu, den bei der Bevölkerung sehr beliebten Bruder mehr oder weniger in die Verbannung zu schicken. Sie untersagte dem König auch, den Bruder nach der Hochzeit in Frankreich zu besuchen und Edward, nunmehriger Herzog von Windsor, bezeichnete seiner Schwägerin als "eiskaltes Weib". Der Konflikt sollte jahrzehntelang anhalten. Erst 1972, nach Edwards Tod trafen die beiden Frauen erstmals wieder zusammen.
Gleichzeitig verstand es die nunmehrige Königin Elizabeth aber, den schwer angeschlagenen Ruf des Königshauses aufzupolieren. König Georg VI., dem öffentliche Auftritte Angst machten - oft stotterte er bei seinen Reden - besuchte 1938 mit seiner Frau Paris und 1939 die USA und Kanada und die Reisen wurden zu einem Triumph für das Königspaar. Als Hitler in einem Wochenschaubericht sah, wie Elizabeth am Arc de Triomphe in Paris am Grab des unbekannten Soldaten eine Blume niederlegte, soll er gesagt haben, Elizabeth sei "die gefährlichste Frau Europas".
Und der deutsche Diktator sollte damit recht behalten. Als seine Luftwaffe London bombardierte, die englischen Adeligen ihre Familien nach Übersee in Sicherheit brachten und die Königin gefragt wurde, ob nicht ihre Töchter auch England verlassen sollten, tat sie jenen Ausspruch, für den die Briten sie heute noch lieben und verehren: "Die Kinder würden nicht ohne mich gehen, ich würde nicht ohne den König gehen und der König wird das Land niemals verlassen." Gemeinsam mit dem König besuchte sie die bombardierten Stadtviertel in London - wo das East End besonders betroffen war -, aber auch Coventry, Bristol, Birmingham, Liverpool und Glasgow. "Ich werde mich nicht kleinkriegen lassen, wie all die anderen", meinte sie bei einem dieser Besuche in Anspielung auf die geflohenen europäischen Königsfamilien. Und als im September 1940 auch der Buckinghampalast bombardiert wurde, sagte sie: "Ich bin froh, dass sie auch uns bombardiert haben. das gibt mir das Gefühl, dass ich den Bewohnern im East End in die Augen sehen kann."
Als König Georg VI. am 6. Februar 1952 starb und seine Tochter als Elizabeth II. zu seiner Nachfolgerin wurde, war die Königswitwe bereits zur Legende geworden und man nahm ihr keineswegs übel, dass sie sich nach dem Tod ihres Mannes nicht wie ihre Vorgängerinnen aus der Öffentlichkeit zurückzog. Da ja auch die alte Queen Mary, ihre Schwiegermutter noch lebte, nahm sie den gar nicht existierenden Titel einer "Queen Mother" an, der allmählich in der Öffentlichkeit zu "Queen Mum" wurde. Bis heute ist die Jubilarin Ehrenmitglied von Regimentern und zahlreicher Wohltätigkeitsorganisationen. Einem Glas Champagner oder Gin nie abgeneigt, seit 50 Jahren vom selben Majordomus umhegt. nimmt die Liebhaberin von Pferderennen - nach zwei Hüftoperationen am Stock - nach wie vor regen Anteil am öffentlichen Geschehen.