Bei Netanjahus US-Besuch soll das Verhältnis zwischen dem israelischen Premier und US-Präsident Obama zumindest nicht weiter Schaden nehmen.
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Tel Aviv. Als gäbe es nicht bereits genug heiklen Gesprächsstoff, ist in den Tagen vor Benjamin Netanjahus Reise nach Washington noch ein Querschläger aus den eigenen Reihen hinzugekommen. Vergangene Woche ernannte Israels Regierungschef einen neuen Informationschef für sein Regierungsbüro. Um danach festzustellen, dass der Mann kein diplomatisches Talent ist: In Facebook-Einträgen beschied der Sprecher US-Außenminister John Kerry den Reifegrad eines 12-Jährigen, und die von Israel heftig kritisierte Iran-Politik von US-Präsident Barack Obama, aus der das Atom-Abkommen vom vergangenen Frühling hervorging, kommentierte er als Auswuchs eines "modernen Antisemitismus". Verständlich, dass Netanjahu gestern Montag ohne seinen neuen Sprecher nach Washington gereist ist.
Die beiden Regierungschefs wissen, obwohl sie sich seit einem Jahr nicht mehr getroffen haben, wo sie stehen: Mag die persönliche Beziehung von Misstrauen getrübt sein, so kennen sie doch die Bedeutung der Allianz beider Länder, der sie vorstehen. Netanjahu verlangt von Washington, als Kompensation für die erhöhten israelischen Sicherheitsbedürfnisse infolge der gelockerten Sanktionen gegen den Iran, eine Erhöhung der Militärhilfe von drei auf fünf Milliarden Dollar während den kommenden zehn Jahre.
Er wird damit kaum durchkommen: Eine derart massive Erhöhung ist angesichts des US-Defizits nicht realistisch.
Tiefe Gräben zwischen Washington und Jerusalem
Tief bleiben die Gräben zwischen Washington und Jerusalem außerdem in der Haltung gegenüber den Palästinensern. Zwar hat Obamas Büro vergangene Woche erstmals öffentlich eingestanden, dass die weiterhin angestrebte Zweistaatenlösung zwischen Israelis und Palästinensern nicht mehr während Amtszeit des amtierenden Präsidenten erreicht werde. Wen Obama dafür verantwortlich macht, scheint deutlich: Sein außenpolitischer Berater Ben Rhodes sagte in einem Journalistengespräch vor Netanjahus Anreise, Washington erwarte von Jerusalem klare Vorstellungen, wie man dem Wunsch nach palästinensischer Staatlichkeit entgegenkomme.
Ein erster Schritt wäre ein Ende des Siedlungsbaus im Westjordanland, der in den Augen des US-Präsidenten das Vertrauen in die israelische Regierung "weiter beschädige und es erschwere, einen lebensfähigen palästinensischen Staat zu etablieren", so Rhodes. Dass Netanjahu in dieser Frage nachhaltige Zugeständnisse machen wird, ist nicht zu erwarten. 21 Vertreter des rechten Flügels des israelischen Parlaments haben ihm eine Petition mitgegeben, wonach er Obama von der Notwendigkeit des Siedlungsbaus im Westjordanland überzeugen soll. Eine Krise in seiner Koalition wird er für die letzten 13 Monate von Obamas Präsidentschaft nicht riskieren. Wahrscheinlich ist, dass die beiden Regierungschefs sich während des Treffens der weiterhin stabilen Freundschaft ihrer Länder versichern werden - und sich danach in Ruhe lassen, bis Obama im Jänner 2017 aus dem Amt scheiden wird.