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Beim 18. KP-Parteikongress vollzieht China den Generationswechsel.
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Peking/Wien.
Seit Donnerstag sitzen die Parteigranden schon im Pekinger Westhotel ("Jingxi") zusammen. In der streng geheimen Klausursitzung des Zentralkomitees werden von den 204 Vollmitgliedern und 167 Kandidaten die letzten Vorbereitungen für den am 8. November stattfindenden 18. Parteitag getroffen, bis heute, Samstag, sollen die 332 Männer und 37 Frauen die Parteitagsdramaturgie festgezurrt haben. Es geht um viel, denn der Parteikongress der nächsten Woche ist viel bedeutsamer als der 17. Parteikongress, der vom 15. bis 21. Oktober 2007 getagt hatte.
Beim am 8. November beginnenden Parteitag soll von den 2270 Delegierten ein Generationswechsel beschlossen werden. Im mächtigsten Gremium der Partei und des Landes, im ständigen Ausschuss des Politbüros, im Politbüro selbst sowie im Zentralkomitee kommt es zu einem heftigen Sesselrücken - viele alte Genossen werden durch eine neue, die fünfte Führungsgeneration abgelöst. Auf Präsident Hu Jintao folgt Xi Jinping, auf Premier Wen Jiabao Li Keqiang.
Die Ära Hu Jintao geht zu Ende. Doch niemand weiß, ob sich die Partei im Parteitagsbericht zu einer neuen Reformagenda verpflichtet.
Die eine Gruppe der China-Experten will daran glauben und verweist auf eine Stellungnahme des Politbüros, die erst vor wenigen Tagen aufgetaucht ist. Die Tatsache, dass der Begriff "Mao-Zedong-Denken" und Referenzen zum Marxismus/Leninismus bei zwei Stellungnahmen des Politbüros fehlten, sei ein Zeichen, dass der Parteikongress vielleicht doch eine Reformagenda vorantreiben könnte, sagen die Reform-Optimisten. "Das ist äußerst bedeutsam", meint Zheng Yongnian, Direktor des East Asian Institute at the National University of Singapore gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Bisher hieß es am Ende der Polit-Büro-Statements stets mantraartig: "Wir halten das Banner des Mao-Zedong-Denkens und des Marxismus-Leninismus bei der Parteiarbeit hoch."
Ein weiteres Signal glauben die Reform-Optimisten in der ungewöhnlich offenen Kritik der Verurteilung eines Dissidenten in staatlich kontrollierten Zeitungen zu erblicken. Der 25-jährige Ren Jianyu war Mitte Oktober zu zwei Jahren Arbeitslager verurteilt worden, weil er in Internet-Botschaften ein Ende der "Diktatur" der kommunistischen Partei gefordert hatte. Ren hatte die Staatsführung nach einem schweren Zugunglück attackiert. Zu den kritischen Medien, die die Verurteilung des Dissidenten kritisiert haben, gehört die einflussreiche Boulevardzeitung "Global Times", die im Besitz des offiziellen KP-Organs "Renmin Ribao" steht. Auch in den "Beijing News" wurde Kritik laut. "Jemand ganz oben will solche Berichte", sagte der Shanghaier Journalismus-Professor Doug Young.
Pessimisten verweisen auf Reformstau
Die Reform-Pessimisten verweisen wiederum auf die aktuelle Ausgabe des einflussreichen Partei-Zweimonatshefts "Qíushì". In diesem Parteimagazin ist ein Beitrag erschienen, in dem ein Reformstau bestritten wird. Wenn die Reformen des 12. Fünfjahresplans erst einmal implementiert seien, würden die sozialen und wirtschaftlichen Probleme gelindert oder ganz verschwinden, heißt es in "Qíushì". Im 12. Fünfjahresplan (2011-2015) ist von einer Umorientierung auf die Inlandsnachfrage, einer nachhaltigeren Wirtschaft und einer Abkehr von der Massenproduktion von Billigprodukten hin zu höherwertigen Waren und Hi-Tech-Gütern die Rede. Tatsächlich sind die Beobachter in diesen Tagen darauf angewiesen, aus feinen Nuancen abzuleiten, wohin China nach dem Führungswechsel treiben könnte.
Ende der Ära Hu Jintao und Wen Jiabao
Der Parteikongress bringt auch den Abschied von der Ära Hu Jintao. Während Kritiker der vierten Führungsgeneration Präsident Hu Jintao und Premier Wen Jiabao vorwerfen, die beiden hätten die Dinge einfach treiben lassen, verweisen andere Experten darauf, dass Hu und Wen auf eine Phase gesunden Wirtschaftswachstums zurückblicken können. Während der Amtszeit der beiden habe China sich der Welt weiter geöffnet - Beispiele: Olympia 2008 in Peking, Expo 2010 in Shaghai - und die Meinungsfreiheit habe sich vor allem dank sozialer Medien wie dem Internet-Kurznachrichtendienst Weibo verbessert.
Tatsache ist jedenfalls, dass auf die neuen starken Männer Xi Jinping und Li Keqiang schwere Aufgaben warten. Bisher lautete der Gesellschaftsvertrag in China: Die KP-Führung sorgt dafür, dass die Wirtschaft brummt, die Bevölkerung verzichtet im Gegenzug auf politische Teilhabe.
Doch das Wachstum hat sich zuletzt zunehmend abgeflacht und die junge Internet-Generation stellt den absoluten Führungsanspruch der Partei immer mehr in Frage.