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Die geheimen Spielwiesen

Von Reinhard Göweil

Politik

Rechnungshof kann nur sporadisch und stichprobenartig prüfen.


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Wien. Die vernichtende Rechnungshof-Kritik am Innenministerium über die widmungswidrige Spendentätigkeit des Wiener Stadterweiterungsfonds leuchtet eine Ecke der öffentlichen Hand aus, die oftmals im Dunkeln bleibt. Mehr als 200 Stiftungen und Fonds werden von Ministerien, Ländern und Gemeinden verwaltet. Was sich darin abspielt, bleibt oftmals ein Geheimnis. Bei diesen Stiftungen handelt es sich nicht nur um öffentliche Mittel, sondern auch um private Schenkungen an den Staat, auf dass der damit Gutes tue - vor allem im Sozial- und Gesundheitsbereich. Wie viel Geld dabei im Spiel ist, weiß der Rechnungshof nicht. Viele dieser Stiftungen sind nie geprüft worden.

"Spendentätigkeit war großteils satzungswidrig"

"Die großzügige Spendentätigkeit des Stadterweiterungsfonds war zu einem Großteil satzungswidrig, ein Musterbeispiel für Günstlingswirtschaft", sagt Beate Meinl-Reisinger, stellvertretende Neos-Vorsitzende und Spitzenkandidatin in Wien. "Wenn Alexander Janda (Spitzenbeamter im Innenministerium, Anm.) gleichzeitig Geschäftsführer beider Einrichtungen war und der Stadterweiterungsfonds eine Million Euro an den Integrationsfonds gespendet hat, dann war der Stadterweiterungsfonds ein wahrer Selbstbedienungsladen für das Innenministerium", so die Juristin Meinl-Reisinger. Dabei gingen Spenden in Millionenhöhe auch an die katholische Kirche. Der Fonds wurde von Kaiser Franz-Josef eingerichtet, um an der Wiener Ringstraße Bauvorhaben umsetzen zu können. Der Fonds war Besitzer der Liegenschaft am Eislaufverein. Er verkaufte sie - zu billig, wie kritisiert wurde. Das Innenministerium vergab diese öffentlichen Gelder daraus an "befreundete Organisationen".

Wie sich aber zeigt, ist der Stadterweiterungsfonds nur die Spitze des Eisberges. So befasst sich der "Bekleidungswirtschaftsfonds der Exekutive" mit Kauf und Verteilung von Uniformen. Das ist eine zweifellos verdienstvolle und auch notwendige Tätigkeit. Warum dies aber nicht eine Abteilung des Innenministeriums oder die Bundesbeschaffungsagentur macht, konnte auch der Rechnungshof nicht beantworten. Er verwies allgemein auf seine Empfehlungen zu Ausgliederungen aus dem öffentlichen Bereich.

In diese Kategorie fällt auch das vom Landwirtschafts- und Finanzministerium betreute "Bundesforschungs- und Ausbildungszentrum für Wald, Naturgefahren und Landschaft". Es kümmert sich vor allem um Erhalt und Erforschung der Wälder und wurde ebenfalls von Kaiser Franz Joseph 1874 gegründet. 2011 hatte es 280 Mitarbeiter und ein Budget von 21 Millionen Euro. Nun hat diese Einrichtung sicherlich ihren Sinn und Existenzberechtigung, und ihre Erwähnung ist auch keine Kritik. Aber es geht hier um öffentliches Geld, das der regelmäßigen Kontrolle entzogen ist, weil der Rechnungshof schlicht nicht die personelle Kapazität hat, all diese ausgelagerten Einrichtungen zu prüfen. "Die Beschränkung der parlamentarischen Kontrolle stellt einen besonders schwerwiegenden Nachteil dar. Dieser Nachteil ist ein Wesensmerkmal von Ausgliederungen und kann daher - selbst bei Ausgliederungen, die insgesamt als gelungen anzusehen sind - nicht ausgeglichen werden", stellte der Rechnungshof fest.

Fehlende Transparenz,wohin das Auge blickt

Denn die Liste der Wohltätigkeiten ist lang. Die Stiftung "Theresianisches Damenstift" in Innsbruck wurde ursprünglich gegründet, um "ein weltliches Damenstift zu gründen, um mit ewiger Gedächtnis-Feier untereinst die Versorgung der bedürftigen adeligen Jugend weiblichen Geschlechts, bis zur Treffung einer Heirat oder Findung eines anderen standesgemäßen Unterkommens zu verbinden". Heute ist es eine Wohlfahrtsstiftung, findet sich im Register der Tiroler Landesregierung - aber das war es auch schon. Keine Angaben über Stiftungsvermögen, keine Angaben über Verwendung der Gelder. Auch hier gilt: Alles wird eine Richtigkeit haben, aber die Intransparenz bleibt.

Der Löwenanteil der Stiftungen, die von Privaten gegründet und der öffentlichen Hand übergeben wurden, um Bedürftigkeit in allen Bereichen der Gesellschaft zu bekämpfen, entfällt auf die Gemeinde Wien. Von der "Susanna Bachmann’schen Armenhausstiftung" bis zur "August Herzmansky’schen Stiftung für behinderte Menschen in betreuten Unterkünften" reicht die Palette. 44 Stiftungen sind es. Die Gemeinde Wien - in den 1990er Jahren für den unkoordinierten Umgang mit deren Geldern vom Kontrollamt gescholten - hat seither für eine gewisse Transparenz gesorgt. Sie wurden in der MA 15 gebündelt, und unterliegen regelmäßig den Prüfungen des Kontrollamtes, der Landesrechnungshof der Bundeshauptstadt. Das Sozialreferat sichert wenigstens eine abgestimmte Vorgangsweise, um Mehrfach-Förderungen aus diesem halb privat, halb öffentlichen Bereich zu unterbinden. Aber auch das Kontrollamt stellte immer wieder stiftungswidrige Verwendung von Geldern fest. So kaufte die "Tuberkulose-Stiftung" einem Förderungswerber einen Laptop um 700 Euro - zurückgefordert wurde das nie. Solchen Stiftungen gehören etwa Miethäuser, deren Ertrag für soziale Zwecke verwendet werden soll - weil es der Verstorbene so verfügte.

Eine Stiftung liegt seit60 Jahren auf Eis

Besonders kurios ist der Fall der "Eudokia und Dr. Georg Atlassoff-Stiftung". Sie wird derzeit - so ist im Internet zu erfahren - von einem Mitarbeiter der Finanzprokuratur verwaltet. Georg Atlassoff verstarb 1953 und vermachte sein Vermögen der Allgemeinheit, um Arbeiten im medizinischen Bereich (Herz-Kreislauf-Erkrankungen) zu fördern. Bis vor acht Jahren konnten sich Behörden nicht darauf einigen, wer die Stiftung betreut. Die Gemeinde Wien wollte die Stiftung an das Wissenschaftsministerium abgeben, das allerdings nie darauf reagierte. "Noch zu klärende Fragen zwischen Bundesministerium, Finanzprokuratur und Medizinischer Universität hinsichtlich der Zuständigkeit bzw. anderer Problemstellungen innerhalb der Bundesverwaltung führten dazu, dass die seit rund 30 Jahren ausstehende Übergabe der Stiftungsaufsicht noch immer nicht durchgeführt wurde", stellte das Kontrollamt 2004 fest.

Stiftungen auch beim Salzburger Finanzskandal

Im Jahr 2013 ist die Stiftung nicht recht viel weiter. 80.000 Euro liegen am Konto, damit passiert ist noch immer nichts - 60 Jahre nach dem Tod von Dr. Georg Atlassoff. Das Ministerium hat immer noch nicht reagiert, der Kurator weiß nicht recht, wie er die jährlichen Erträge von derzeit 600 Euro verwenden soll. Das Geld muss mündelsicher, und daher im Moment sehr zinsschwach, veranlagt werden - so steht es im Gesetz.

Zu einer gewissen, aber eher traurigen Berühmtheit brachten es in Salzburg zwei derartige Konstruktionen. Im Zuge des Finanzskandals war aufgetaucht, dass die zockende Beamtin Monika Rathgeber von ihren ÖVP-Förderern in den Vorstand der "Rostock’schen Jungbauerstiftung" geholt wurde. Zweck der Stiftung: "Die Wirtschaftslage der Bauernschaft, namentlich der Bergbauernschaft, durch gründliche Ausbildung geeigneten Nachwuchses und durch geldliche Beihilfen zur Erwerbung und Ausstattung eines Eigenhofes sowie bei Unglücksfällen zu verbessern und dadurch die Landflucht zu steuern."

Die Stiftung unterliegt – weil vom Land Salzburg verwaltet – grundsätzlich der Rechnungshof-Kontrolle. Die blieb ihr bisher erspart. Die "Stiftung Haus Fuschl" zur Ausbildung der Bauernschaft brachte es ebenfalls in die Schlagzeilen. Sie schüttet seit Jahren 30.000 Euro an immer den gleichen Empfängerkreis aus, der dort tätige Rechnungshof stellte erstaunt die Geheimhaltung um die Stiftung fest.

Niederösterreich und das Wohltätigkeitshaus Baden
Das Land Niederösterreich verfügt über mehr als 20 solcher Stiftungen, über die fast nichts bekannt ist. Auch die niederösterreichische Landesregierung verwaltet diese Stiftungen von einer Stelle aus. Kritische Berichte des Landesrechnungshofes haben im Landtag zu wenig erkennbarer Tätigkeit geführt. So bemängelte der Landesrechnungshof, dass die "Stiftung Wohltätigkeitshaus Baden" einzelnen Personen regelmäßig Kuraufenthalte in Baden bezahlt. Der zehnprozentige Anteil an der "Mariazellerhofquelle" führte in der Stiftung 2008 bis 2010 zu keinerlei Einnahmen, und eine Liegenschaft wurde – gemäß den vorliegenden Bewertungs-Gutachten viel zu günstig an die Gemeinde Baden verkauft. "Für den Landesrechnungshof war aus den Unterlagen die Bewertungsdifferenz von über zwei Millionen Euro nicht nachvollziehbar", so der Bericht aus 2012.

"Förderansuchen an solche Stiftungen stehen allen Betroffenen offen. Oft benutzen Politiker und Beamte sie, um völlig intransparent Geld im unmittelbaren Umfeld zu verteilen", sagte ein Rechnungshof-Mitarbeiter, dem Anonymität zugesichert worden war. "Da gibt es mit Sicherheit Freunderlwirtschaft der übelsten Sorte, aber wir können nicht alle ständig überblicken." Die 200 Stiftungen und Fonds, die von öffentlichen Körperschaften verwaltet werden, sitzen auf einem geschätzten Vermögen von mindestens 300 Millionen. 2012 erfolgten 10 der 98 Rechnungshof-Prüfungen stichprobenartig. Wie viele davon diese Stiftungen und Fonds betrafen, konnte das Kontrollorgan nicht sagen. Das genaue Vermögen kennt ebenfalls niemand. Und wer zum erlauchten Kreis der Förder- und Subventionsnehmer gehört, wird es vermutlich nicht weitererzählen.