Ein Fonds macht US-Studenten zum Anlageninvestment. Viele sehen darin die Alternative zum Kredit.
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Washington. Studieren in den USA wird ständig teurer. Und das betrifft bei weitem nicht nur die Universitäten, sondern auch andere mehrjährige Weiterbildungseinrichtungen wie Hochschulen und Kollegs. Laut Daten von "U.S. News" galoppiert gerade die billigste Art der Weiterbildung - der Besuch einer öffentlichen Universität im Bundesstaat, in dem man den Hauptwohnsitz hatte - bei den Kosten voran. Da hat sich das Schulgeld in den vergangenen zehn Jahren mit einer Zunahme von 68 Prozent deutlich verteuert. Dieser Anstieg war höher als bei den auch ansteigenden Kosten der ohnehin teuren Privatuniversitäten.
Beobachter erklären diesen Anstieg unter anderem mit der Wirtschaftskrise 2008. Laut einer Untersuchung des Centers on Budget and Policy Priorities verharrten 2017 die öffentlichen Ausgaben für Kollegs und Universitäten weiterhin auf einem historischen Tief verglichen mit dem Schuljahr 2007-2008.
Im Schuljahr 2018-2019 (also zwei Semester) mussten Studenten für private Hochschulen im Durchschnitt 35.676 Dollar zahlen. Wenn sie eine öffentliche Hochschule in einem Bundesstaat besuchen, in dem sie selbst seit mehr als einem Jahr ihren Wohnsitz haben, müssen sie 9.716 Dollar zahlen, und wenn sie eine öffentliche Hochschule besuchen wollen, die in einem anderen Bundesstaat liegt, dürfen sie fast das Dreifache davon hinblättern: 21.629 Dollar für das Schuljahr.
Das ist für die wenigsten mit den eigenen Rücklagen finanzierbar - und viele müssen auf Kredite zurückgreifen, um sich das Schulgeld leisten zu können. Doch die Abbezahlung dauert oft Jahrzehnte. Dafür wächst die Summe stetig an: Während es 2008 erst 700 Milliarden waren, sind im Jahr 2018 schon fast 1,5 Billionen US-Dollar an Studentenkrediten ausständig. Eine Billion ist eine Zahl mit 12 Nullen.
Der Deal mit dem Fonds
Dass das Thema immer dringlicher wird, sieht man auch daran, dass es eine der Grundfesten der US-Wirtschaft erschüttert: Die Notenbank hat bereits sorgenvoll erklärt, dass es bei Menschen, die in den 1980er und 1990ern geboren worden sind, eher unwahrscheinlich ist, dass sie ein Haus kaufen werden - anders als es bei jungen Menschen im Jahr 2005 der Fall war. Und sogar Pensionisten zahlen zum Teil noch ihre Studentenkredite ab. Aber die Wall Street sieht diese Krise als Möglichkeit, kreativ Geld zu verdienen und hat eine Lösung gebastelt, die von der öffentlichen Purdue University in Indiana seit 2016 dankbar an die Studenten gebracht wird. Das Zauberwort heißt "ISA" - Income Share Agreements.
An der Purdue University bietet der Finanzfonds Vemo Education den Studenten das Geschäft ihres Lebens an: Sie bekommen die Kosten ihres Studiums vorgestreckt und verpflichten sich im Gegenzug, einen Teil ihres späteren Einkommens an den Fonds zu zahlen. Anders als bei Studentenkrediten handelt es sich dabei aber nicht um eine fixe Kreditrate. Sie ist aber auf bestimmte Jahre begrenzt und ist prozentuell abhängig von der Höhe des Einkommens. Während der Arbeitssuche ruhen die Zahlungen. Falls der Job besser dotiert ist als gedacht, so sind die Zahlungen nach oben hin gedeckelt.
Die Universität lobt ISAs als Alternative zur Verschuldung durch Studentenkredite: Während man dort eine fixe Summe zahlen muss, ist es bei ISA einkommensabhängig.
"In gewisser Weise verwandelt die Finanzindustrie studentische Schuldner in Anlageninvestments - mit einem ähnlichen Risiko und, im Idealfall, einem ähnlichen Gewinn", schreibt die Finanzagentur Bloomberg. Je nach Ausbildung unterscheiden sich die Zahlungen. Jemand, der Computerwissenschaften studiert, ist ein relativ sicheres Investment: Diese Person muss nur 2,6 Prozent seines Einkommens über 88 Monate zahlen. Dagegen ist das Fach Englisch mit einem Risikoaufschlag behaftet: Absolventen müssen 4,5 Prozent ihres Einkommens in einem Zeitraum von 116 Monaten abstottern. Das sind immerhin fast zehn Jahre.
Beobachter getrauen sich noch nicht zu sagen, ob ISAs besser oder schlechter als Kredite sind. Enthusiasmus ist jedenfalls nicht angebracht, zitiert Bloomberg Julie Margetta Morgan vom Roosevelt Think Tank. Grund zum Misstrauen gegenüber ISAs ist etwa die Tatsache, dass ISAs auf Schiedsgerichten bestehen und so den Studenten die Möglichkeit nehmen, im Falle das Falles den Fonds vor den ordentlichen Gerichten zu klagen.