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Die Geister des Tiananmen

Von WZ Online

Politik

Vor 29. Jahren wurden die Forderungen nach mehr Demokratie blutig abgewiesen.


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Vor 29 Jahren, am 4. Juni 1989, schlug die chinesische Führung Proteste für mehr Demokratie mit harter Hand nieder. Der von Studenten besetzte Tiananmen-Platz wurde mit Panzern geräumt. Anschließend fand eine Verhaftungswelle statt. Innerhalb einer Woche starben nach Angaben des Roten Kreuzes etwa 2.500 Menschen in der chinesischen Hauptstadt. Diskussionen über die Ereignisse sind bis heute tabu. Einzig in Hongkong fand eine Mahnwache statt.

"Die mächtige Apparat der Diktatur des Proletariats fürchtet uns: die Alten, die Kranken und die Schwächsten und Verletztbarsten unserer Gesellschaft", schrieben Tiananmen Mothers, eine Organisation con Verwandten der Getöteten. Der jährliche Brief wird wohl auch diesmal seinen Empfänger, den Staatspräsidenten und Generalsekretär der Kommunistischen Partei Xi Jinping, erreichen. Xi gilt als überzeugter Anhänger harter Maßnahmen gegen Feinde des Systems, korrupte Beamte ebenso wie Oppositionelle.

Dazu zählt dem Anschein nach auch die Sipppenhaftung. In einem dieser Tage veröffentlichten Telefonat erklärte Liu Xia, die Witwe des 2017 im Gefängnis verstorbenen Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo: "Sie halten mich hier fest, um Xiaobos Strafe abzusitzen." Die Schriftstellerin, die seit 2010 unter Hausarrest steht folgert daraus: "Sie sollten eine Zeile zur Verfassung hinzufügen: 'Liu Xiaobo zu lieben ist ein schweres Verbrechen - eine lebenslange Freiheitsstrafe'."

Der Systemkritiker hat in seiner - in Abwesenheit vorgelesenen - Rede zum Nobelpreis festgestellt: "Die Geister des 4. Juni sind sind bis jetzt nicht begraben." Es ist anzunehmen, dass sie gerade aufgrund des Tabus der chinesischen Führung weiterspuken werden,