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Das Image der gutverdienenden Jetset-Beamten hältsich hartnäckig. | Dicke Brieftasche als Grund für Dates mit "Eurosingles". | Brüssel. (dpa) Ihre Arbeit macht einsam: Fern der Heimat bearbeiten tausende Brüsseler Bürokraten ihre Akten, bevölkern langweilige Empfänge - und sitzen nach Feierabend oft allein im schicken Appartement. Und vielen von ihnen lechzen folglich nach liebevoller Ansprache. Doch ein hoffnungsvoll gestarteter Versuch, Kontakt zur Außenwelt aufzunehmen, ist gerade jämmerlich gescheitert.
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"Eurosingles" heißt die Kontaktbörse im Internet, die einsamen Eurokraten seit vier Jahren die Partnersuche erleichtern soll. 180 Kandidaten aus Rat und Kommission, Parlament und Nato-Hauptquartier meldeten sich an und trafen sich untereinander. Dann öffnete die Gründerin Laura di Rosa das Angebot auch für lokale Interessenten: "Während wir uns anfangs Sorgen machten über die geringe Zahl von Belgiern, die sich anmeldeten, geht deren Ansturm mittlerweile auf keine Kuhhaut mehr", sagt di Rosa der Zeitung "Het Laatste Nieuws".
"War es, weil EU-Bedienstete einfach besser aussahen als der Durchschnittsbeamte? Oder war das Entwerfen europäischer AgrarRichtlinien plötzlich so glanzvoll und sexy geworden, wie die EU immer behauptet hatte?", fragt der britische Korrespondent Justin Stares im "Sunday Telegraph". Nein, die EU-Beamten sahen sich einer viel schmerzvolleren Wahrheit gegenüber.
"Werfen sich oft
schamlos zu Füßen"
So genannte Goldgräber hatten "Eurosingles" entdeckt: "Belgier, die sich mit Eurokraten nur wegen deren Gehalt und luxuriöser Lebensweise verabreden wollten", wie "Het Laatste Nieuws" bemerkt. Von einem Nettogehalt um die 100.000 Euro im Jahr können viele Belgier nur träumen. "Vor allem Frauen versuchen ihr Glück und werfen sich schamlos zu Füßen eines reichen Nato-Mitarbeiters oder des einen oder anderen Botschafters", klagt di Rosa. Wie eine Milchkuh sei er gemolken worden, erinnert sich ein geschiedener Kommissionsbeamter in der Zeitung "La Libre Belgique". Nur die Kreditkarte schien zu zählen. Aber er wolle nicht, dass Einkommensunterschiede sein Liebesleben ruinieren.
Auch von weiblichen Beamten wird berichtet, die Avancen verheirateter Belgier zum Opfer fielen. "Man betrachtet uns als reiche Jetsetter, die in einer Traumwelt leben. Dabei haben wir das gleiche Bedürfnis nach echter Zuneigung", erzählt ein Beamter.
Die Betroffenen mögen es immer wieder als Klischee abtun: Das Bild der gut bezahlten EU-Beamten mit besten Arbeitsbedingungen hält sich hartnäckig. Und nun wird ihr Kreis erneut exklusiver. Um Heiratsschwindler auszuschließen, beschränkt "Eurosingles" den Zugang wieder auf Bedienstete mit E-Mail-Adressen von EU oder Nato. Und auf handverlesene Kandidaten von außen, für deren moralische Makellosigkeit ein EU-Beamter bürgen muss.