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Die Generäle in ihrem Labyrinth

Von Klaus Huhold

Politik

Das Militär in Burkina Faso verspricht, die Macht wieder abzugeben, doch es bildet selbst keine homogene Einheit.


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Ouagadougou/Wien. 27 Jahre lang hatte er sich an der Staatsspitze gehalten. Blaise Compaore hatte seinen Landesleuten im westafrikanischen Burkina Faso mit einer Mischung aus Demokratie und Repression regiert, einerseits fanden Wahlen statt, andererseits war Compaore skrupellos. "Er regelte die Dinge durch Einschüchterungen, Tötungen und Korruption", sagte nun ein ehemaliger Offizieller der Nachrichtenagentur Reuters.

Compaore hatte dabei immer einen guten Instinkt für die Macht. Doch Ende vergangene Woche hatte den 63-Jährigen dieser offenbar verlassen. Der ehemalige Militär wollte eine Verfassungsänderung im Parlament zur Abstimmung bringen lassen, die ihm ermöglicht hätte, 2015 für eine weitere Amtszeit zu kandidieren. Die Folge waren wütende Proteste, geplünderte Villen von Compaore-Vertrauten in der Hauptstadt Ouagadougou, um die 40 Tote bei Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten (genau Zahlen gibt es nicht) und Compaore fand sich plötzlich in einem Hubschrauber wieder, der den gestürzten Langzeitstaatschef ins Exil in die benachbarte Elfenbeinküste brachte.

Zivilgesellschaft und Jugend gegen Präsidenten

"Opposition und Zivilgesellschaft hatten schon seit Jahren klargemacht, dass sie es keinesfalls akzeptieren würden, wenn sich Compaore noch ein weiteres Mandat genehmigen will", sagt der Afrika-Experte Alexander Stroh von der deutschen Forschungseinrichtung Giga-Insitiut, der sich schon seit Jahren mit Burkina Faso beschäftigt, der "Wiener Zeitung". Unterstützt wurden die Proteste gegen Compaores Pläne zudem von einer von Popmusikern getragenen Jugendbewegung namens Balais Citoyen (Bürgerbesen). Und auch das Militär stand offenbar nicht mehr geschlossen hinter dem umstrittenen Präsidenten.

Die Armee hat nun die Macht übernommen. Nach internen Grabenkämpfen innerhalb der Streitkräfte wurde am Wochenende der bisherige Vize-Kommandeur der Präsidialgarde, Isaac Zida, Übergangspräsident, der die Verfassung für ausgesetzt erklärt hat.

Opposition will nicht den nächsten Militär

Doch auch gegen die neue Führung gab es bereits Proteste in Ouagadougou. "Mit Compaore wurde gerade ein Mann gestürzt, der aus dem Militär kam", sagt Stroh. "Jetzt will die Opposition aus Prinzip nicht schon wieder einen Militär an der Staatsspitze zulassen." Zudem dürfte sie wohl nun die Chance sehen, sich selbst in dem Übergangsprozess, der gerade stattfindet, zu etablieren.

Die neuen Militärmachthaber zeigten sich am Montag bereit, einzulenken. Die Armee werde die Macht an eine Übergangsregierung abgeben, sagte Zida vor Diplomaten in Ouagadougou. Aber: Einen Zeitplan oder Details zur Machtübergabe blieb er schuldig. Jedenfalls haben die Streitkräfte angekündigt, mit Oppositionsvertretern zu verhandeln.

Die neuen Armeemachthaber stehen unter Druck. International hat Burkina Faso durchaus Bedeutung. Der Staat liegt am Rande der instabilen Sahelzone, in der Al-Kaida und andere Radikalislamisten eine ständige Bedrohung darstellen. Der Westen will stabile Verhältnisse in Burkina Faso - wenn das Militär gegen große Teile der Bevölkerung regiert, werden diese schwer möglich sein. Die ehemalige Kolonialmacht Frankreich und auch die USA üben, etwa durch ihre Militärkooperationen, massiven Einfluss auf das Land aus. "Es gibt offenbar massiven Druck aus den USA und sicher auch aus Frankreich, dass Burkina Faso so schnell wie möglich wieder zu einer verfassungsmäßigen Ordnung kommt", sagt Stroh.

Auch die UNO und die Afrikanische Union haben bereits die neuen Machthaber dazu aufgefordert, sich an die Verfassung zu halten. Doch hier ergibt sich ein Problem, erklärt Stroh. Gemäß der Konstitution müsste nach dem Sturz Compaores nun der Parlamentspräsident das Ruder übernehmen. Doch der ist ein Vertrauter Compaores. Deshalb wollen weder das Militär noch die Opposition diese Lösung sehen, erklärt der Politologe.

Die nächsten Tage werden für Burkina Faso entscheidend sein, sie werden zeigen, wohin das Land steuert. Das Militär ist dabei laut Beobachtern weiterhin kein homogener Block. Übergangspräsident Zida scheint zwar derzeit die stärksten Machtinstrumente in der Hand zu haben, doch es ist noch nicht ausgemacht, dass er sich an der Spitze hält, es kann zu erneuten Machtkämpfen kommen.

Gleichzeitig deuten die zuletzt gesetzten Schritte des Militärs darauf hin, dass es tatsächlich dazu bereit ist, die Macht auch wieder abzutreten. Es besteht durchaus eine Chance, dass die entscheidenden Akteure eine Lösung finden, die zu Wahlen und einer Demokratisierung führt.

Eines der ärmsten Länderder Welt

Damit stabile Verhältnisse in Burkina Faso, das seit 20 Jahren auch Schwerpunktland der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit ist, einkehren, wird aber auch die wirtschaftliche Entwicklung entscheidend sein. Ein Großteil der Bevölkerung lebt am Land, doch der Baumwollanbau, der intensiv betrieben wird, hat den Bauern nicht viel Wohlstand gebracht. Dass es zuletzt ein Wachstum gab, ist vor allem dem Goldabbau geschuldet - von dem aber nur wenige profitieren.

Burkina Faso ist eines der ärmsten Länder der Welt, in dem viele junge Bewohner keine Arbeit haben und keine Perspektive für sich sehen. Diese lassen sich schnell für Proteste mobilisieren und viele von ihnen waren auch an den Demonstrationen beteiligt, die Blaise Compaore seine Herrschaft kosteten. Und dieser war dann wohl selbst überrascht, mit welcher Geschwindigkeit er plötzlich von der Macht weggespült wurde.