Analyse: Kopfschütteln über Österreichs Vorgehensweise im In- und Ausland.
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Wien. "Nicht nachvollziehbar", "unprofessionell", ein "historischer Fehler". Im Hintergrundgespräch finden Diplomaten, hochrangige Beamte und Offiziere deutliche Worte. Freilich: Niemand will genannt werden, Staatsraison und Loyalität gehen vor.
Einen Tag nach der Entscheidung, österreichische Truppen vom Golan abzuziehen, lichten sich die Nebel, die die Spindoktoren vor die Kulisse gezaubert haben. Der Ablauf des gestrigen Tages im Telegrammstil: Nach Meldungen über Kämpfe in der Nähe des österreichischen Kontingents am Golan kamen Kanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger überein, das österreichische Engagement am Golan zu beenden. Danach wurde eine Krisensitzung im Verteidigungsministerium einberufen (die "Wiener Zeitung" berichtete), doch da war in Wirklichkeit bereits längst alles entschieden.
Die Vorgehensweise der Koalitionspartner lässt in der Tat Fragen offen. Als die Entscheidung publik wurde - durch die "Kronen Zeitung" - waren weder die Truppen selbst informiert, noch die anderen Truppenstellernationen Indien und die Philippinen. Bundespräsident Heinz Fischer - der Oberbefehlshaber des österreichischen Bundesheeres - war gezwungen, innerhalb weniger Stunden einen Schwenk zu vollziehen - erst zwei Stunden vor dem Öffentlichwerden der Regierungsentscheidung hatte er sich für einen Verbleib der österreichischen Blauhelme ausgesprochen. Da hatte offenbar jemand vergessen, den obersten Befehlshaber des Bundesheeres zu informieren.
Diplomatenveteranen wundern sich über die "stümperhafte" Vorgangsweise: "So eine Entscheidung bricht man nicht übers Knie", meint ein hochrangiger Diplomat. "Da werden in den Kabinetten ad-hoc-Entscheidungen getroffen, die dann nicht einmal mit den zuständigen Stäben und Botschaften besprochen werden."
Österreichs Ruf als truppenstellende Nation sei jedenfalls "schwer ramponiert", "niemand wird eine Nation um Truppen bitten, deren Panzer nur einen Rückwärtsgang im Getriebe haben." Sowohl bei Israel als auch bei Syrien gelte Österreich plötzlich als "unsicherer Kantonist" und das, nachdem heimische Soldaten dort jahrzehntelang vorbildlich ihren Dienst erfüllt haben.
Mit einer Entscheidung hätten es die Regierungsparteien geschafft, das internationale Ansehen Österreichs zu torpedieren.
Abzug zu ungünstigem Zeitpunkt für Undof-Mission
In New York sorgte die Politik der Österreicher für nicht weniger Verwunderung. Eine Abzugsentscheidung würde jedem Land frei stehen, aber "in der UNO ist man immer verärgert, wenn man nicht rechtzeitig informiert und konsultiert wird", sagte eine Quelle in New York zur "Wiener Zeitung". Für Freitagnachmittag (Ortszeit) wurde eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates in New York zur Golan-Mission Undof anberaumt, in der es laut internem UN-Papier, das der "Wiener Zeitung" vorliegt, um die Folgen des österreichischen Abzuges für die gesamte Mission und die aktuelle Situation am Golan geht.
Der Zeitpunkt der österreichischen Entscheidung bringt die UNO in starke Bedrängnis. Denn: Die jährliche Mandatsverlängerung für die Undof-Mission steht Ende dieses Monats an. "Normalerweise werden solche Mandatsverlängerungen im Schlaf durchgewunken", sagt die Quelle in New York, die den Verhandlungen nahe steht. "Seit der Entscheidung Österreichs laufen aber alle wie Hühner ohne Köpfe herum."
Aus dem UN-Papier zur Sondersitzung geht hervor, dass die Ratsmitglieder in diesem Monat "wohl einen intensiven Dialog" mit den Truppenstellernationen führen und deren "Vertrauenskrise" und "Bedenken" im Vorfeld der Mandatserneuerung in Betracht ziehen müssten. Soll heißen: Es wird nicht einfach, die Truppensteller weiter zu halten.
Mittlerweile wird - neben der intensiven Suche nach neuen Truppenstellern und der Koordination mit Österreich über den genauen Ablauf und Zeitrahmen des Abzuges - laut Quelle bereits eine Änderung des Undof-Mandats überlegt, "für den Fall, dass dies notwendig würde".
Das Mandat umfasst aktuell die Aufrechterhaltung des Waffenstillstandes zwischen Israel und Syrien, die Überwachung des Rückzugs der israelischen und syrischen Kräfte sowie die Überwachung der Separationszone. Ob dies unter den gegebenen Umständen - also bei ständigen Kämpfen zwischen syrischen Regierungstruppen und Aufständischen innerhalb der Separationszone - ausgeführt werden kann, ist fraglich.
Große Chancen dafür sieht man offenbar jedoch nicht. "Es könnte schwierig werden, das Undof-Mandat signifikant zu verändern, schließlich geht dieses auf das Truppenentflechtungsabkommen von 1974 zwischen Israel und Syrien zurück", heißt es abschließend im UN-Papier.