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Die gerechte Kaufmacht

Von Sophia Freynschlag

Wirtschaft
Die Initiative "So fair" rät, ein Produkt nach dem anderen auf nachhaltige Beschaffung umzustellen - der Einstieg kann mit dem Anbieten von fair gehandeltem Kaffee in öffentlichen Gebäuden gelingen.
© © Udo Kuehn - Fotolia

ÖkoKauf in Wien achtet auf Bio-Kost in Schulen und verzichtet auf Tropenholz.


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Wien. Ob Kaffee, Putzmittel, Arbeitskleidung und Computer - die öffentliche Hand kauft regelmäßig in großen Mengen ein. Dementsprechend können Bund, Länder und Gemeinden eine Vorbildwirkung ausüben: wenn sie beim Auswählen des Lieferanten nicht nur den Preis, sondern auch die Umwelt oder sozial faire Herstellungsbedingungen berücksichtigen. "Die öffentliche Hand verfügt über eine größere Kaufmacht als Einzelkonsumenten. Deshalb wollen wir bei den Großeinkäufern Bewusstsein schaffen, dass sie Kriterien wie faire Arbeitsbedingungen in der Lieferkette einfordern", erklärt Elisabeth Schinzel, Leiterin der sozial fairen Beschaffung bei der NGO Südwind.

Zu nachhaltiger Beschaffung wird zum einen die ökologische Beschaffung zugeordnet, bei der nach Umweltkriterien eingekauft wird, zum anderen die soziale Beschaffung, zu der der sozial fairer Einkauf zählt - für den etwa gute Arbeitsbedingungen beim Lieferanten entscheidend sind.

Beim Einkauf umweltfreundlicher Produkte gehört die Stadt Wien mit dem Programm ÖkoKauf zu den Vorreitern: Seit 1998 orientiert sich der Einkauf von Textilien, Waschmitteln, über Büro- und Baumaterial bis hin zu Reinigungsarbeiten im Magistrat der Stadt Wien, dem Wiener Krankenanstaltenverbund, von Wiener Wohnen und den Wiener Stadtwerken stärker an ökologischen Gesichtspunkten. Damit sollen Emissionen, Schadstoffe und Abfall vermieden werden.

"Sozial fairer Einkauf muss nicht teurer sein"

Jährlich kauft die Bundeshauptstadt Produkte, Waren und Leistungen im Wert von etwa fünf Milliarden Euro ein - das ist etwa das Fünffache der Summe, die alle Wiener Haushalte für Wohnungsausstattung, Lebensmittel, Bekleidung, Reinigung und Auto pro Jahr ausgeben. "Eine Stadt als Großeinkäufer kann viel bewegen", sagte Wiens Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou kürzlich bei einer Veranstaltung zum Thema Nachhaltigkeit.

Zu den Vorgaben beim Einkauf zählen wenig Verpackung, der Verzicht auf Tropenhölzer, PVC und Chlorbleiche, keine aggressiven Putzmittel sowie phosphat- und formaldehydfreie Produkte. Beim Lebensmittelkauf wird auf biologische Produkte in Schulen, Kindertagesheimen, Pensionisten-Wohnhäusern und in Wiener Krankenanstalten geachtet.

Die Bilanz: Der Bio-Lebensmittelanteil in Kindergärten liegt bei 51 Prozent. Pro Jahr werden mehr als 30.000 Tonnen CO2 und rund 17 Millionen Euro eingespart.

Wobei das Kostenargument allerdings oft gegen eine nachhaltige Beschaffung ins Spiel gebracht wird - besonders bei der sozial fairen Beschaffung. "Wir müssen viel Informationsarbeit leisten, dass sozial fairer Einkauf nicht teurer sein muss", sagt Schinzel von Südwind. Besonders in Gemeinden, die finanziellen Engpässen ausgesetzt sind und nicht in großen Mengen einkaufen, zählt vor allem der Preis. "Es muss nicht alles von heute auf morgen umgestellt werden", sagt Schinzel, die rät, konsequent ein Produkt nach dem anderen auf sozial faire Beschaffung umzustellen.

Fair gehandelte Fußbälle und Präsentkorb ohne Dosenfutter

Die 2007 gegründete Initiative "So fair" unterstützt Beschaffungsverantwortliche beim Einführen sozial fairer öffentlicher Beschaffung. Der Fokus liegt auf Lebensmitteln wie fair gehandeltem Orangensaft, Tee oder Reis, Arbeitsbekleidung sowie Naturstein für Brunnen oder Pflaster, der oft aus Asien importiert wird. Auch bei Spielzeug für Kindergärten, PCs und Blumen wird die Lieferkette durchleuchtet.

Die sechs Gemeinden der steirischen Ökoregion Kaindorf haben sich zum Ziel gesetzt, umweltgerechte und fair gehandelte Produkte zu beschaffen. "Wir kaufen Fair-Trade-Kaffee, und in die Geschenkkörbe für Jubilare kommen keine Konserven, sondern regionale und faire Produkte. Ein Fußballverein hat fair gehandelte Fußbälle gekauft", so Margit Krobath von der Ökoregion Kaindorf.

Rechtlich gesehen ist im Vergaberecht verankert, dass auf die Umweltgerechtheit der Leistung "Bedacht zu nehmen ist", während auf Maßnahmen zur Umsetzung sozialpolitischer Belange lediglich Bedacht genommen werden "kann". Ökologische Beschaffung sei einfacher einzuführen, weil sich beispielsweise die Pestizid-Freiheit am Produkt nachweisen lässt, sagt Schinzel. Die Arbeitsbedingungen seien hingegen nicht am Produkt erkennbar.

Formfrei ausgewählt werden können Lieferanten bei der Direktvergabe, die bis Jahresende Aufträge bis 100.000 Euro bezeichnet. Bei höheren Summen müssen Anforderungen an Lieferanten festgelegt werden. Hier können Kriterien wie menschenwürdige Arbeitsbedingungen aufgenommen werden. Als Nachweis dient ein Gütesiegel oder eine vergleichbare Garantie. Um sich abzusichern, wird für Ausschreibungen über 100.000 Euro eine vergaberechtliche Beratung empfohlen.