Zum Hauptinhalt springen

"Die Gesamtschule verbessert nichts"

Von Christoph Rella

Politik

Philosoph Konrad Paul Liessmann und Hannes Androsch zur Bildungsmisere.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. "Welche Staatsform hat Österreich?" - "Keulenförmig!" Solche Witze über die Unbildung des österreichischen Nachwuchses findet der Initiator des Volksbegehrens "Österreich darf nicht sitzen bleiben", Hannes Androsch, nur bedingt lustig. Zumal es ihm ja um ein ernstes Thema geht: Eine Reform der schulischen (Aus-)Bildung in Österreich.

Androsch gegen 50-minütige Schulstunden und lange Ferienzeiten
"In unseren Schulen gilt das preußische Armeerecht mit 50-minütigen Stundeneinheiten", rief der ehemalige Finanzminister während einer Podiumsdiskussion Donnerstagabend in Erinnerung. Die schulische Bildung in Österreich sei zu einem "Vorbereitungskurs für die Millionenshow" degeneriert, wobei den Kindern bereits zu Beginn jede Freude an der Schule ausgetrieben werde. Auch die "langen Ferienzeiten" sind Androsch ein Dorn im Auge. "Pro Jahr gibt es nur 150 vollwertige Unterrichtstage, das gibt es sonst nirgends", polterte er. Sein Vorschlag: Der Halbtagsunterricht soll durch eine Ganztagsbetreuung ersetzt sowie das Dienst- und Besoldungsrecht der Lehrer reformiert werden.

"Durch die Einführung der Gesamtschule wird sich nichts verbessern", konterte wiederum der Philosoph Konrad Paul Liessmann. Es gebe keine Beweise, die gegen ein differenziertes System sprechen würden. Als Beispiel nannte er unter anderem die Schweiz, "einen Pisa-Musterschüler".

Sprachen als Schlüssel
Was er in der aktuellen Debatte vermisse, sei die Diskussion über ein modernes Bildungskonzept, wie es beispielsweise Wilhelm von Humboldt einst erdacht hatte. Demnach gehe es bei der Bildung darum, dem Nachwuchs zu lehren, "mit der Welt in Wechselwirkung zu treten - und zwar ohne unmittelbare Interessen", sagte Liessmann. Ziel eines jeden müsse es sein, "sich in Form zu bringen". Am besten geschehe das noch über das Erlernen von Sprachen - auch von Latein.

"Deswegen gibt es so wenige österreichische EU-Beamte in Brüssel", warf Androsch ein. "Weil die Österreicher zu wenige Sprachen beherrschen." Diese Leute hätten auch leider vergessen, dass man sich um den Erwerb von Bildung - wie dies einst auch die Arbeiterbildungsvereine getan hätten - bemühen müsse.

In dieselbe Kerbe schlug auch Liessmann: "Bildung ist nicht nur ein Menschenrecht, sondern auch vorrangig eine Pflicht", betonte er. Lebenslanges Lernen sei somit nicht nur eine Bringschuld des Staates, sondern auch eine Holschuld. Sich auf schlechte Lehrer auszureden, lässt er nicht gelten: "Ich zahle auch nicht Steuern, nur weil der Finanzbeamte so nett ist."