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Walter Schopf übernimmt das Mandat von Barbara Prammer, Sonja Ablinger geht leer aus. Konnte die SPÖ nicht anders oder wollte sie nicht?
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Wien. Nach Paragraf 16 Absatz 6 des Landesparteistatutes ist bei einer Nachrückung beim Ausscheiden einer Mandatarin oder eines Mandatars die Einhaltung der Frauen- sowie Männerquote zu beachten. Das wäre der Fall gewesen, hätte der auf der oberösterreichischen Landesliste vor Sonja Ablinger (48) auf Platz zwei gereihte Metallgewerkschafter Walter Schopf (57) auf den Einzug in den Nationalrat verzichtet. Ihm steht das Mandat rein rechtlich zu und der Landesparteivorstand hat - in geheimer Abstimmung - mit 27:16 für Schopf votiert.
Dass das Mandat der verstorbenen Nationalratspräsidentin Barbara Prammer nun an einen Mann geht, betrachten die SPÖ-Frauen als Affront. Frauenchefin Gabriele Heinisch-Hosek hatte im Vorfeld vehement auf eine Einhaltung der 40-prozentigen Frauenquote gepocht. Ablinger selbst äußerte sich am Freitag nach der Sitzung des Landesparteivorstandes auf Twitter sarkastisch mit den Worten: "Die Frauenquote wird in der SPOÖ situationselastisch angewandt."
Für den Parlamentarismusexperten und ehemaligen ÖVP-Klubdirektor Werner Zögernitz ist es keine moralische, sondern eine rein rechtliche Frage: "Gesetze gelten vor jeglichen Statuten. Wenn man auf der Landesliste weiter vorne steht, hat man Anspruch auf das Mandat. Schopf hätte ausdrücklich verzichten müssen, dem Vorstand waren die Hände gebunden." Und fügt an: "Wenn man eine Frau als Nachfolgerin hätte haben wollen, hätte man Ablinger nach vorne reihen müssen."
Fehlende Loyalität
Anhänger Ablingers halten es dennoch für keinen Zufall, dass die SPÖ gerade in diesem Fall auf die Einhaltung der Quotenregelung vergisst. Die rote Rebellin, die nach den Wahlen 2013 aus dem Nationalrat ausschied, ließ in der Vergangenheit immer wieder in heiklen Fragen die Loyalität zur Parteilinie ihrer 56 Klubkollegen vermissen. Schließlich stimmte sie als einzige der Sozialdemokraten 2012 gegen den Fiskalpakt; also gegen jenes Abkommen, das strenge Obergrenzen für 25 EU-Länder bei der Staatsverschuldung vorsieht und automatische Konsequenzen bei Verstößen bewirken soll. Ihre Ablehnung begründete sie damit, dass man mit dem Fiskalpakt die europäische Konjunktur abwürge und die Ursachen für die Krise nicht bekämpfe. Ein Stabilitätspakt, so Ablinger damals, ziehe keine Finanzmarktregulierung nach sich. Von der Parteibasis wurde sie als "Heldin" gefeiert, von den anderen Mandataren der Koalition aber kritisiert.
Die Liste der Soloaktionen Ablingers ist damit nicht zu Ende: 2011 verließ sie beim Urnengang zur neuen Fremdenrechtsnovelle den Saal, wie schon 1998, 2007 und 2009 und nahm gar nicht erst an der Abstimmung teil. Der Parteidisziplin widersträubte sie sich zum ersten Mal 1997. Da war Ablinger gerade ein Jahr im Parlament. Mit zwei Kollegen stimmte sie damals gegen Lauschangriff und Rasterfahndung. Zwei Jahre später befeuerte sie mit vier Kollegen eine Reform des Polizeiapparats mit einem offenen Brief an SPÖ-Innenminister Karl Schlögl. Zuletzt arbeitete sie gemeinsam mit dem Salzburger Johann Maier an einer Abschaffung des Bankgeheimnisses. Nur so, verlautbarten die beiden SPÖ-Rebellen, wäre eine wirksame Vermögensbesteuerung möglich.
Es liegt auf der Hand, dass sich Ablinger mit all dem keine Freunde bei der Parteiführung gemacht hat. Schon im Vorjahr bei der Nationalratswahl kam deshalb die Vermutung auf, dass die SPÖ gegen Ablinger arbeiten würde. Sie verpasste den Einzug in den Nationalrat als Dritte auf der Landesliste, nachdem Prammer nicht über die Landes-, sondern über die Bundesliste in eben diesen einzog. Dabei soll es innerhalb der SPÖ beschlossene Sache gewesen sein, dass immer zuerst das untere Listenmandat, in diesem Fall die Landesliste, anzunehmen sei.
Mit anderen Worten: einen Platz für Ablinger freizumachen, war in der Bundespartei nicht vorgesehen. Kanzler Werner Faymann soll es damals kein Anliegen gewesen sein, sie noch einmal in den Nationalrat einziehen zu lassen. Prammer war es auch, die bei der Wahl 2006 mit der Annahme des Landeslistenmandates Ablinger auf die Warteliste manövriert hat - 2007 setzte sie sich aber für deren Einzug in das Hohe Haus ein, der aber erst erfolgen sollte, als die Regierungsbeteiligung der SPÖ beschlossen war. Prammer galt innerhalb der Partei als starke Kritikerin der 48-Jährigen.
Rote Karriere
Sonja Ablinger ist seit ihrer Jugendzeit Teil der SPÖ. Heute ist sie ehrenamtliche Frauenvorsitzende der SPOÖ und Vorsitzende des Gewaltschutzzentrums in Oberösterreich. Zuvor war Ablinger zwischen 1996 und 1999 beziehungsweise 2006 und 2013 Abgeordnete im Nationalrat und SPÖ-Kultursprecherin. Hautberuflich arbeitet sie als Lehrerin in der neuen Hauptschule Linz.