Nach der bürgerlichen Revolution von 1848 wurden in Österreich die Handelskammern als Organe des Handelsministeriums gegründet. Im Revolutionsjahr tauchte auch die Forderung nach Arbeiterkammern auf, die sich unter anderem folgenden Aufgaben widmen sollten: Ermittlung der Arbeitsverhältnisse, sozialpolitische Reformen, Errichtung von Kranken- und Invalidenkassen, unbeschränkte Heiratserlaubnis und die Errichtung eines Arbeitsministeriums. Die Arbeiter gingen jedoch für Jahrzehnte leer aus.
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Es gab kein allgemeines Wahlrecht, geschweige denn rechtliche Schutzbestimmungen für die arbeitende Bevölkerung. Wer seine Arbeitskraft verkaufen musste, war der Willkür der Arbeitgeber ausgeliefert. Für Löhne und Arbeitszeit fehlten die Regelungen, sie hingen von Angebot und Nachfrage ab. Ein 14-Stunden-Tag war auch für Kinder keine Seltenheit. "Schon der entsetzliche Dunst in diesen Sälen musste das Herz zusammenschnüren. Und diese weißen Sklaven, versumpft durch das ewige Einerlei einer maschinenmäßigen Arbeit, diese armen Kinder mit den gelben oder bleigrauen Gesichtern, verdammt, tagsüber eine unerbittliche Maschine zu bedienen und dann Abends vielleicht noch einen Weg von einer oder zwei Stunden zurückzulegen, um ihr ärmliches Lager zu erreichen...," ist in einem Bericht über Kinderarbeit aus dem Jahr 1858 zu lesen. In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit konnten die Unternehmer billigste Arbeitskräfte auf der Straße finden und sie nur tageweise mieten.
Schikanierte Arbeiter
Oftmals waren die Arbeiter den Schikanen der Vorarbeiter oder Meister ausgeliefert. In einer Resolution fordern die Maurer Wiens "die Abschaffung der rohen Behandlung von Seite der Partieführer, Poliere und Meister für sämtliche am Bau beschäftigten Maurer, Taglöhner, Weiber und Lehrlinge und die Einführung einer selbstständigen Arbeits-Vermittlung, um endlich dieser elenden Bettelei um Arbeit ein Ende zu machen." Erst 1885 wurde die Sonntagsruhe, und 1888 eine Kranken- und Unfallversicherung für die Arbeiter in Industrie, Gewerbe und Verkehr eingeführt. Auf eine gesetzliche Pension mussten die vom Schuften müde und krank gewordenen Arbeiter noch bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts warten.
Entstehung der AK
Die Entstehung der Kammer für Arbeiter und Angestellte (Arbeiterkammer/AK) hängt eng mit den Anfängen der Gewerkschaftsbewegung und der Forderung nach dem allgemeinen Wahlrecht zusammen. Das Jahr 1867 ist ein zentrales Datum in der Geschichte der Arbeiterbewegung: Das Staatsgrundgesetz schrieb die Grundrechte der Bürger verfassungsmäßig fest. Es ermöglichte erstmals theoretisch die Gründung von Arbeitervereinen. Mit dem Koalitionsgesetz von 1870 wurde die Basis zur Gründung von Gewerkschaften geschaffen.
Der "Verein Volksstimme" forderte in einem Memorandum an den Reichsrat 1872 erneut die Errichtung einer Kammer für Arbeiter und eines "Sozialministeriums". Nicht alle Gewerkschaftsorganisationen wollten sich dieser Forderung anschließen, fürchteten sie doch, damit das allgemeine Wahlrecht zu verspielen. Um die Jahrhundertwende hatten schon einige Branchen Kollektivverträge, in denen Mindestlöhne und geregelte Arbeitszeiten vereinbart waren, abgeschlossen. Das Wahlrecht für Männer konnte bis 1907 erkämpft werden, die Frauen durften erst 12 Jahre später am Urnengang teilnehmen.
Krieg - Ständestaat - Diktatur
Die Kriegserklärung 1914 versetzte Österreich in den Ausnahmezustand, in welchem alle bisher schwer errungenen Rechte außer Kraft gesetzt wurden. Das Gesetz zur Kriegsdienstleistung lieferte die Arbeiter der Willkür der Unternehmer aus. Sogar Kinder- und Frauenschutzbestimmungen wurden aufgehoben. Nach dem Krieg halfen die Gewerkschaften den ehemaligen Soldaten, wieder Arbeit zu finden, oder sorgten für ihren Lebensunterhalt.
Auf Druck der Freien Gewerkschaften wurde 1920 das Gesetz über die Errichtung von Kammern für Arbeiter und Angestellte vom Parlament beschlossen, sie sollten die schwer erkämpften sozialen Errungenschaften absichern und Mitsprache in der Wirtschaft gewährleisten. Schon 1921 fanden die ersten Wahlen des "Arbeiterparlaments" statt, welches zu einer wesentliche Einrichtung der Demokratie wurde. Dem autoritären Regierungskurs der 30er Jahre fielen auch die Arbeitnehmervertretungen zum Opfer. Sowohl im Ständestaat als auch im darauffolgenden Nationalsozialismus war kein Platz für von staatlicher Kontrolle unabhängige Institutionen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg, am 20. Juli 1945, wurde die Wiedererrichtung der Arbeiterkammern in demokratischer Selbstverwaltung vom Nationalrat beschlossen. Die AK bekam vom Gesetzgeber die Aufgabe der Vertretung und Förderung der Interessen der Arbeitnehmer. Sie vertritt seither die sozialen, beruflichen, wirtschaftlichen aber auch kulturellen Interessen ihrer Mitglieder. Es gibt eine enge Zusammenarbeit zwischen AK und Gewerkschaft mit klar definierter Aufgabenteilung.