Zum Hauptinhalt springen

Die Geschichte einer politischen Empörung

Von Walter Hämmerle

Politik

Die Polemik von Erste-Bank-Chef Treichl gegen Politiker löst heftige Reaktionen aus. | Wien. Gemeinhin könnte man allgemeine Unzufriedenheit der Regierten mit den Regierenden ja auch als gelungene gleichmäßige Verteilung diverser notwendiger Grauslichkeiten interpretieren. Unzufriedenheit mutiert so zu einem Chiffre für halbwegs gelungene Politik. Auch der aktuellen Regierung schlägt allgemeine Unzufriedenheit entgegen - von den Steuerzahlern, den Beamten, Pensionisten, den Hoffentlich-bald-Pensionisten, Studenten, Schülern, den Unternehmern, Geringverdienern - und jetzt auch noch von den Bankern. Nur auf den Gedanken, dies als Ausweis erfolgreicher Regierungstätigkeit zu verwenden, darauf ist bis jetzt noch niemand gekommen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Dafür hat die polemische Bemerkung des Spitzenbankers Andreas Treichl (58), wonach Österreichs Politiker "zu blöd und zu feig" in Sachen Wirtschaft seien, eine wahre Flut an geharnischten Reaktionen ausgelöst. Von Seiten der Politik, naturgemäß. Vor allem aus den Reihen der SPÖ schlägt dem Chef der Erste Group heftige Kritik entgegen. Tenor: Jetzt, nach der Krise, schlage sich offenbar wieder Raffgier und Arroganz ihren Weg bei den Bankern; die FPÖ nennt den Banker die "personifizierte Unanständigkeit"; die Volkspartei, deren Finanzreferent Treichl in den 90er Jahren war, hielt sich eher bedeckt.

Konkret prophezeite Treichl, Sohn von Ex--CA-General Heinrich Treichl, bei einer ÖVP-Veranstaltung am Wochenende eine noch schlimmere Finanzkrise. Verantwortlich macht er dafür die Verschärfung der Kreditvergabebestimmungen, die gemeinhin unter Basel III zusammengefasst werden. Kreditvergaben an vertrauenswürdige Firmen seien im Vergleich zu Ausleihungen an Staaten zu streng reglementiert.

Feindbild Basel III

Treichl führte dazu ein Beispiel aus: "Ein Beispiel: Eine Firma, die ich seit 100 Jahren kenne, die noch nie einen Verlust gemacht hat und 50 Prozent Eigenkapital hat, möchte jetzt einen Kredit von mir haben. Dann brauche ich als Bank heute zehn Mal so viel Eigenkapital, wie wenn ich eine Anleihe an Griechenland vergebe, wo ich jetzt schon weiß, dass die wenn, dann nur über die Steuerzahler zurückgezahlt werden kann", so Treichl laut ORF. Vor diesem Hintergrund warf der Banker Politikern vor, "zu blöd und zu feig" zu sein, diese Zusammenhänge zu durchschauen. Dabei geben ihm viele Politiker in diesem Punkt recht.

Zugleich verteidigt er das relativ konservative Geschäftsgebaren der Banken in Mittelosteuropa. Hier würden noch zum allergrößten Teil dem traditionellen Bankgeschäft entsprechend Spareinlagen hereingenommen und Kredite vergeben. "Wir haben eine Bilanzsumme von weit über 200 Milliarden Euro und spekulieren mit sieben. Eine Deutsche Bank hat eine Bilanzsumme von 2000 Milliarden und spekuliert mit 1500. Das sind völlig andere Dimensionen."

Am Montag erklärte Treichl: "Offensichtlich muss man emotionelle Bemerkungen machen, um damit andere emotionelle Bemerkungen zu beenden und eine Sachebene zu erreichen." Ansonsten wolle er sich dazu nicht mehr äußern: "Es gibt überhaupt keinen Anlass, unprofessionelle Äußerungen zu machen, um unprofessionelle Äußerungen der Politik zu beenden." SPÖ-Staatssekretär Josef Ostermayer hatte gemeint: "Also ich finde, es ergibt ein sehr schlechtes Bild, wenn man zuerst die Politik und die Menschen um Hilfe bittet und wenn man dann die Hilfe bekommen hat, Raffgier und Abgehobenheit an den Tag legt."

Er bezog sich auf das Staatskapital für die Bank im Zuge der Finanzkrise. Und jüngst hatte die Entscheidung der Erste, die Gage ihrer Aufsichtsräte auf 700.000 Euro zu verdoppeln, für Kritik gesorgt.

Treichl will aus den Reihen der Wirtschaft zahlreiche positive Reaktionen erhalten haben. Hannes Androsch kann er damit nicht gemeint haben. Für diesen sind Verbalinjurien genauso entbehrlich wie das Banken-Bashing der Politik.

Seit Wochen kursieren in Wien Gerüchte, die Wirtschaft wälze Pläne zur Gründung einer wirtschaftsliberalen Partei.