Politiker-Streit um Erstaufnahmestelle. | Größter Betrieb im Ort überlegt Absiedelung. | Innenministerium prüft nächtliche Ausgangssperre. | Wien/Linz. Während in der vergangenen Woche Menschrechtsorganisationen das Asylgesetz 2005 als zu scharf kritisiert haben, ist der Kampf der Anrainer gegen die Erstaufnahmestelle (EAST) Thalham in Oberösterreich in vollem Gange.
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So hat sich etwa der ÖVP-Landtagsabgeordnete Anton Hüttmayr auf die Betreuungsfirma European Homecare eingeschossen: Diese "ist einfach überfordert", meint er, und bemängelt die "lasche Betriebsführung" der Firma. Konkret fordert Hüttmayr eine Ausgangssperre von 22 bis 7 Uhr, ein Alkoholverbot und strengere Konsequenzen bei Verstößen gegen die Hausordnung. "Wenn man in Österreich Gastrecht genießt, dann muss man die Gesetze der Gastgeber befolgen." Auch sieht er eine ständige Überbelegung der Erstaufnahmestelle: Allein vergangene Woche seien mehr als die eingeplanten 200 Menschen in dem Wohnheim gewesen.
In Thalham seien durchschnittlich 160 Flüchtlinge untergebracht, kontert der oberösterreichische Sicherheitsdirektor Alois Lißl.
Lißl: "Die Kriminalität ist konstant erhöht"
Dass das Nebeneinander von Einheimischen und Asylwerbern kein allzu friktionsfreies ist, gibt aber auch Lißl zu. "Die Kriminalität ist konstant erhöht - im Winter wird es auch wieder ein Alkoholproblem geben." Dem könne man mit einem Verbot allein aber nicht entgegenwirken.
Dieses gibt es laut Wilhelm Brunner von European Homecare außerdem schon längst: "Hüttmayr fordert Dinge, die schon da sind." Und was die Ausgangssperre betrifft, so sei es einerseits Sache des Bundesasylamtes (BAA) als Betreiber, die Hausordnung dementsprechend zu ändern. Andererseits ist eine Ausgangssperre laut Brunner gar nicht möglich, da diese gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen würde.
BAA-Leiter Wolfgang Taucher beschwichtigt: Verstöße gegen die Hausordnung können ohnehin mit Verminderung oder Entzug der Versorgungsleistung geahndet werden. Eine Ausgangssperre werde gerade vom Innenministerium geprüft. Bereits in dieser Woche erwartet er sich ein Ergebnis.
Bereits vor einem Jahr hat die "Wiener Zeitung" mit den Bewohnern der an die Erstaufnahmestelle grenzenden 4000-Seelen Gemeinde St. Georgen gesprochen. Damals warteten rund 200 Flüchtlinge in Thalham auf ihre Zulassung zum Asylverfahren und vertrieben sich den etwa zweiwöchigen Aufenthalt zum Missfallen der Anrainer mit Spaziergängen im Ort. Eine Bürgerinitiative unter der Federführung des FPÖ-Gemeinderats Franz Schneeweiß kämpfte mit der Unterstützung aller Parteien für eine Schließung der EAST.
Kritik an Bürgermeister und Innenministerium
Zwar versuchen heute drei Caritas-Mitarbeiterinnen, im Rahmen des Projekts "Dialog" zwischen Bewohnern und Asylwerbern zu vermitteln, Schneeweiß ist dies jedoch nicht genug. Streetworker, die von Hüttmayr vorgeschlagene Videoüberwachung oder eine Umzäunung des Geländes sind für ihn nur "kosmetische Operationen. Tatsache ist, dass wir überfordert sind und schon seit zweieinhalb Jahren vom Innenministerium veräppelt werden", sagt er. Und auch von ÖVP-Bürgermeister Wilhelm Auzinger ist Schneeweiß enttäuscht. Hatte dieser vergangenes Jahr noch die Bürgerinitiative unterstützt, so "agiert er heute abgekoppelt von der Bevölkerung".
"Ausgangssperre keine Freiheitsberaubung"
Auzinger, der wie sein Parteikollege Hüttmayr für eine Ausgangssperre und nicht für die Schließung plädiert, verteidigt seine Einstellung. "Ich kann den Weg nach radikal rechts nicht mehr mitgehen, mit diesen Leuten, die wollen, dass St. Georgen ,clean´ wird", sagt er zur "Wiener Zeitung". In drei Jahren seien Gemeinderatswahlen, dann werde man ja sehen, wer sich durchsetzen könne. Allerdings hat sich Auzinger auch in der eigenen Partei schon Feinde gemacht, darunter etwa den ehemaligen Ortsparteichef, der für eine Stellungnahme nicht zur Verfügung stand.
Auch die Geschäftsleute hat der Bürgermeister nicht mehr so ganz auf seiner Seite. Im Sanatorium Rupp - mit 130 Angestellten der größte Betrieb im Ort - versteht man zwar, dass Auzinger nicht mehr weiß, wie er mit der EAST umgehen soll.
Nachdem aber vor einiger Zeit Asylwerber aus Thalham die Autos von elf Gästen aufgebrochen haben, hat auch der Verwalter des Sanatoriums nicht mehr allzu viel Verständnis für die Situation. "Am Ende des Tages werden wir einen Stellenabbau oder einen Standortwechsel überlegen", meint er. Und: "Unsere Reha-Patienten müssen auch um 22 Uhr im Haus sein, das empfinde ich nicht als Freiheitsberaubung."
Asyl: Debatte um die Grundversorgung
Seit 1. Mai 2004 werden Flüchtlinge in Österreich in einer der beiden Erstaufnahmestellen (EAST) - Thalham in Oberösterreich und im niederösterreichischen Traiskirchen - untergebracht. Dort warten sie rund zwei Wochen auf die Zulassung zum Asylverfahren. Ende Dezember 2005 waren 1551 Menschen in Traiskirchen und 231 in Thalham untergebracht, mit Ende Oktober 2006 waren es wegen der schärferen Asylgesetze nur mehr 589 und 173.
Wer zugelassen ist, kommt bis zur Entscheidung über seinen Antrag in die Grundversorgung, deren Finanzierung nach einer 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern aufgeteilt ist.
Der oberösterreichische Landeshauptmann Josef Pühringer (V) hat nun Ausgleichszahlungen von jenen Ländern gefordert, die ihre Betreuungsquote nicht einhalten. Oberösterreich erfülle die Vereinbarung mit 108 Prozent, sonst lägen nur Wien und Niederösterreich bei über 100 Prozent. Vor allem Kärnten, Tirol und Salzburg sind laut Pühringer säumig bei der Erfüllung ihrer Betreuungsquoten.
Der oberösterreichische SPÖ-Soziallandesrat Josef Ackerl fordert unterdessen ein unbefristetes Bleiberecht für Familien, die vor dem 1. Dezember einen Asylantrag gestellt haben.
Auch müssten Asylwerber in der Grundversorgung eine Arbeitsgenehmigung bekommen. Laut Ackerl liegt der Anteil jener, die bereits mehr als ein Jahr auf den Ausgang ihres Verfahrens warten und daher vollständig vom Bund versorgt werden, bei mehr als 60 Prozent.