Der designierte US-Präsident wollte mit seinem Kabinett die Vielfalt Amerikas widerspiegeln.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 3 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Joe Biden hat eine hervorstechende Eigenschaft, die ihm im Präsidentschaftswahlkampf - je nach Klientel - genutzt oder geschadet hat: Er ist ein alter, weißer Mann.
Nicht nur das: er ist schon Jahrzehnte in der Politik. Mit soviel Establishment im Rücken war es schwierig, im Wahlkampf die ethnischen Minderheiten zu erreichen und gleichzeitig liberale, junge Wähler zu gewinnen. Denn die Demokratische Partei hat gegenüber ihrer republikanischen Konkurrenz einen entscheidenden Nachteil: Das potenzielle Wählerreservoir befüllt sich aus äußerst heterogenen Gruppen.
So lag es schon allein aus politischem Kalkül auf der Hand, dass Biden versprochen hatte, ein äußerst diverses Kabinett zusammenzustellen. Biden verpflichtete sich früh, jedenfalls eine Frau als Vizin zu küren. Mit Kamala Harris ist es zugleich eine Vertreterin der afroamerikanischen und indischen Minderheit geworden.
Und auch die meisten anderen bisher bekannt gewordenen Personalentscheidungen reflektierten Bidens Versprechen, ein Kabinett zusammenzustellen, dass so aussieht wie die USA. Sprich in dem Frauen und ethnische Minderheiten zu größeren Teilen vertreten sind.
Bisher hat Biden geliefert. Für das Bildungsministerium wurde der ehemalige Lehrer Miguel Cardona nominiert, dessen Eltern aus Puerto Rico kommen. Der Politiker und Gesundheitsexperte Xavier Becerras hat mexikanische Wurzeln. Und ausgerechnet das Ministerium für Innere Sicherheit (vergleichbar mit den europäischen Innenministerien) geht an jemanden, der auf Kuba geboren und erst mit seinen Eltern in die USA eingewandert ist: Alejandro Mayorkas. Damit würden drei Latinos für Spitzenposten zum Zug kommen - mehr als in jeder anderen Administration.
Mehr als Lippenbekenntnis
Mit Deb Haaland ist erstmals sogar eine US-amerikanische Ureinwohnerin als Ministerin nominiert. Haaland, die dem Pueblo-Stamm Laguna angehört, wäre als Innenministerin für die Verwaltung von bundeseigenem Land und für Bodenschätze verantwortlich. Auch Afroamerikaner werden in der Biden-Administration stärker als bisher repräsentiert. Die Abgeordnete Marcia Fudge wird das Wohnbauministerium innehaben und der pensionierte General Lloyd Austin soll das Verteidigungsministerium übernehmen. Die Nominierung von Austin sorgt aber für eine Kontroverse, er braucht zusätzlich eine Ausnahmegenehmigung vom Kongress. Sein Makel: Zwischen seinem aktiven Militärdienst und der Berufung ins Pentagon liegen weniger als sieben Jahre, was als Mindestabstand gilt. Eine solche Ausnahmegenehmigung hatte es 2016 allerdings auch schon unter Donald Trump für Jim Mattis bei seiner Ernennung zum Verteidigungsminister gegeben.
Austins Nominierung enttäuschte auch viele Frauen im Militär, die sich Hoffnungen auf eine Frau an der Spitze des Pentagons gemacht haben. Andererseits wird laut Beobachtern dadurch vielleicht noch ein anderer Spitzenposten für eine Frau frei. Schon jetzt reflektieren die Nominierungen erstmals die Tatsache, dass Frauen 50 Prozent der Bevölkerung stellen.
Nachdem Harris die erste Vizepräsidentin wird, ist die ehemalige US-Notenbank Chefin Janet Yellen die erste Frau im Finanzministerium, Jennifer Granholm die erste Energieministerin, Fudge die erste Ministerin für Wohnbau - und mit Avril Haines wird auch erstmals eine Frau an die Spitze der nationalen Nachrichtendienste (Department of National Intelligence) gehievt. Haines war unter Präsident Barack Obama die erste Frau, die zumindest stellvertretende CIA-Direktorin wurde.
Das Verkehrsministerium geht an den ehemaligen Mitbewerber von Joe Biden ums Präsidentenamt: Pete Buttigieg wird der erste offen homosexuell lebende Minister der USA werden.
Für das Außenministerium wird mit Antony Blinken ein erfahrener Diplomat genannt, der auch schon unter der Administration von Ex-Präsident Barack Obama dem Vizepräsidenten Biden als Berater für Nationale Sicherheit gedient hatte.
Diese Zeit geht auch ansonsten nicht spurlos an dem neuen Kabinett vorbei. Etwa wird Tom Vilsack zum Landwirtschaftsminister nominiert, der exakt diesen Posten schon acht Jahre unter Obama ausgeführt hat. Vilsacks Nominierung hat übrigens die wenigste Begeisterung erfahren. Denn Vilsack gilt als zu freundlich zu den großindustriellen Landwirten. Kleinbauern fürchten, unter die Räder zu kommen.
Und ein paar alte Bekannte
In der zweiten Reihe sind noch mehr Gesichter aus der Obama-Zeit zu finden. Etwa der ehemalige Außenminister John Kerry, der nun der Spezial-Gesandte für Klimafragen wird. Oder Susan Rice, ehemals UN-Botschafterin, die Beraterin des Weißen Hauses wird.
Was die Kandidaten der zweiten Reihe aber den Ministern voraus haben, ist die Tatsache, dass sie nicht vom Senat bestätigt werden müssen. Und das ist eine Krux bei vielen Nominierungen. Erst mit dem Ergebnis in Georgia ist endgültig fix, wie die Mehrheit im Senat aussehen wird.
Auch das ist ein Grund, warum Biden eine äußerlich vielfältige, aber innerlich sehr zentristisch ausgelegte Gruppe zusammengestellt hat.
Unterdessen lecken die liberalen Demokraten ihre Wunden, dass bei den Nominierten keine Kandidaten dabei sind, die aus dem linken Flügel stammen. Die ehemalige Präsidentschaftskandidatin Elizabeth Warren machte kein Hehl aus ihrem Interesse am Finanzministerium, so mancher träumte auch von Präsidentschaftsbewerber Bernie Sanders in der Administration.
Eine moderate Besetzung hat Biden für das Justizministerium gefällt. Merrick Garland arbeitete bisher am Bundesberufungsgericht der USA in Washington und gehört keiner politischen Partei an. Ihm war 2016 von den Republikanern die Ernennung für den Obersten Gerichtshof der USA verwehrt worden.
Für den Posten der Handelsministerin ist Gina Raimondo vorgesehen. In ihren Verantwortungsbereich fallen unter anderem die Handelsstreitigkeiten mit China und die Regulierung großer Internetkonzerne. Raimondo hat sich seit 2015 als Gouverneurin des Ostküsten-Bundesstaats Rhode Island bewährt.