Seit bekannt ist, dass der Berliner Student Benno Ohnesorg 1967 von einem Stasi-Spitzel der DDR erschossen wurde, wird jene Behörde kritisiert, die diesen Zusammenhang zutage gefördert hat. Sie trägt den sperrigen amtlichen Titel: "Die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik", sie wird aber im Volksmund einfach "Birthler-Behörde" genannt. Marianne Birthler übernahm 2000 die Leitung dieser Behörde und ist seitdem der Kritik vor allem seitens der Linkspartei ausgesetzt. | Dass ein so dramatischer Fakt wie die Tötung Ohnesorgs durch einen Stasi-Mitarbeiter und die Unterwanderung der West-Berliner Polizei mit DDR-Saboteuren erst 20 Jahre nach der Wende bekannt wurde, wird ihr nun als "unprofessionelle Arbeit" vorgeworfen.
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Der Hintergrund: Die rund 190.000 Mitarbeiter des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit (kurz "MfS" oder "Stasi" genannt) hatten sich beeilt, alle sie belastenden Materialien zu vernichten, als klar wurde, dass das Regime am Ende war. Es ist mutigen Aufständischen zu verdanken, dass ihnen dies nicht restlos gelungen ist. Nach der Wiedervereinigung errichtete man eine Behörde, die diese Unterlagen sichern, aufbewahren und rekonstruieren soll. Neue Computerprogramme sorgen inzwischen dafür, dass sogar geschredderte Papierschnitzel zusammengepuzzelt werden können.
In den ersten Jahren wurde die Behörde von Bundeswehr, Polizei, Ämtern und Parlamenten beansprucht, um jene Menschen auf Stasi-Belastung zu überprüfen, die in öffentliche Dienste der Bundesrepublik übernommen werden wollten. Die Behörde muss den Betroffenen, Opfern wie Tätern, Historikern und Journalisten Auskünfte erteilen oder Akteneinsicht gewähren. Sie muss aber nicht selbst forschen.
So stieß eine Birthler-Mitarbeiterin, Cornelia Jabs, zu ihrer "eigenen Überraschung" auf die Akte Karl-Heinz Kurras´, jenes West-Berliner Polizisten, der den Studenten erschossen hatte. Inzwischen bestätigen selbst jene, die der Protest-Bewegung angehörten, wie etwa der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele, dass die Diskussion in der 68er-Generation völlig anders verlaufen wäre, wenn die Fakten damals bekannt gewesen wären.
Wie stark hat die DDR-Subversion in die westdeutsche Geschichte eingegriffen? Die FDP wollte es genau wissen und beantragte, nicht nur sämtliche Bundestagsabgeordnete seit 1948 auf Stasi-Mitarbeit zu überprüfen, sondern auch alle leitenden Beamten in Bundesministerien, Bundesbehörden und Bundestag. Dieser Antrag wurde in seltener Einigkeit von CSU bis Linkspartei abgelehnt. Sogar die Grünen enthielten sich. Das führt zwangsläufig zu der Frage: Wie viele Leichen schlummern noch in wessen Keller?