Die Zukunft der Industrie liegt in der Digitalisierung der Produktion - Österreich will dabei vorne mitmischen.
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Alpbach. "Wir sind als Wirtschaftsstandort nicht, wie es Kollege Leitl ausgedrückt hat, abgesandelt, aber wir müssen aufpassen, nicht abzusandeln." Der Industrielle Hannes Androsch ist bekanntlich nie um starke Sprüche verlegen, in diesem Fall könnte der allerdings zu Recht gewählt worden sein. Denn (nicht nur) die heimische Industrie steht vor einer Herausforderung, die als "industrielle Revolution" bezeichnet wird und unter dem Schlagwort "Industrie 4.0" firmiert. Das Infrastrukturministerium hat sich des Themas angenommen, (Noch-)Ministerin Doris Bures will in den kommenden beiden Jahren etwa 250 Millionen Euro an Förderungen dafür bereitstellen.
Konkret geht es um die Digitalisierung der gesamten Wertschöpfungskette, was ungeheure Auswirkungen haben wird. "Es geht um die Verschmelzung von Produktions- und Kommunikationstechnologien, dabei werden ungeheure Datenmengen zu bewältigen sein. Daher ist der Breitband-Ausbau, auf den wir uns in der Regierung nun geeinigt haben, auch so wichtig", sagte Bures beim Europäischen Forum Alpbach. Diese vollkommene Vernetzung bringt auch gesellschaftspolitisch völlig neue Herausforderungen. Denn die "Industrie 4.0" globalisiert die Fabrik endgültig. So ist es dann möglich, in Wien, Linz oder Graz neue Produkte zu entwickeln, die Herstellung in Asien anzusiedeln und das Werk von noch einem anderen Ort aus zu steuern. Was heute noch wie Zukunftsmusik klingt, wird in den Großkonzernen in Ansätzen bereits betrieben.
Das verändert die Arbeitsteilung weltweit, aber auch die Erfordernisse an die Ausbildung. Und katapultiert das Thema Datensicherheit in völlig neue Höhen. "Es ist durchaus vergleichbar mit der Erfindung des Fließbandes. Die Bedenken der Arbeitnehmervertretung sind daher sehr ernst zu nehmen", sagte Bures zur "Wiener Zeitung". "Aber auch das Fließband hat nicht zur befürchteten Massenarbeitslosigkeit geführt, aber es verändert viele Strukturen." Auch Peter Koren von der Industriellenvereinigung betonte, dass zur "Industrie 4.0" die Zustimmung der Gewerkschaften gebraucht wird, wenn Österreich dabei jene führende Rolle spielen will, die es sich aneignen will. Beim Industriegipfel in Alpbach nahmen führende Manager dazu Stellung. "Diese Entwicklung darf nicht unter dem Gesichtspunkt betrachtet werden, dass alles immer nur billiger wird", warnte Heinz Hackl von Fronius, einem bekannt innovativen Unternehmen aus Oberösterreich (Schweißtechnik, Batterieladesysteme). "Es muss dabei um sinnvolle Produkte gehen. Ressourcenschonung, Energieeffizienz sind wichtig."
"Europa hat viele Vorteile"
Die Entwicklung der globalen Fabrik führt nicht zu einer Verlagerung der Produktion in Billiglohnländer, sondern stärkt die Industrie in Europa. "Europa hat viele Vorteile. Lohnkosten sind nur ein Teil der Wettbewerbsfähigkeit", hört man von Siemens, das gerade Software für die industrielle Zukunft entwickelt. So führen gute Ausbildung und lange Verweildauer der Mitarbeiter zu hoher Produktivität. "In China ist die Fluktuation viel höher, wir sind eigentlich ständig am Schulen der Leute", sagte ein Manager.
Eine große Rolle spielt die IT-Industrie, aus der viele neue Jobs kommen sollen. "Wir können die Digitalisierung aber nur vorantreiben, weil wir in Europa selbst über die Fabriken verfügen und daher am lebenden Objekt lernen können", so der Siemens-Manager.
Peter Koren mahnt auch die Vernetzung der öffentlichen Hand ein. An der hapert es gewaltig. So erntet die FGG, eine Bundesfinanzierungsgesellschaft für Innovationen, beim Thema "Industrie 4.0" einhellig Lob von den Industriemanagern. Sie unterstützt Firmen, untermauert durch Gutachten, die aber von den Finanzbehörden nicht anerkannt würden, schrieb Josef Fürlinger von BRP Powertrain (Bombardier Rotax) der Ministerin ins Stammbuch. Verwaltung und Bürokratie wurden allgemein als zu langsam definiert. Die Vernetzung solle auch Schulen umfassen, dort müsse für diese enorme Herausforderung Verständnis entwickelt werden, so Fürlinger weiter.
Denn wie in der gesamten EU rutscht auch in Österreich der Industrieanteil an der volkswirtschaftlichen Leistung ab, wenngleich auch weit nicht so stark wie etwa in Frankreich. Sie ist derzeit für 18,3 Prozent der Wirtschaftsleistung verantwortlich, so Androsch. Die Forschungsquote liegt bei 2,9 Prozent. "Es geht auch um die Möglichkeit der Innovation." Zwei Hemmnisse ortet der Ex-Politiker: zu starke Regulierung und der "höchst unbefriedigende Zustand des Finanzplatzes und der Banken".
"Eine Billionenchance"
Um all das müsste sich die Regierung nun relativ rasch kümmern. "Ein Schulterschluss der einstmals großen Parteien" müsse her. Denn Österreich hätte als "Pilotland" für diese neue Industrie alle Voraussetzungen. Hohe Lebensqualität und soziale Sicherheit sind attraktiv, "und die Unternehmen in Österreich stehen dem Thema sehr offen gegenüber", wie Georg Kopetz von TTTech, das in der Computertechnik tätig ist, sagte. "Es ist eine Billionen-Chance, und wir müssen ‚front runner‘ dabei werden."
Das Infrastrukturministerium und die TU Wien errichten daher derzeit eine "Pilotfabrik" neuen Typs. Sie soll vor allem kleineren Unternehmen ermöglichen, die neuen Technologien kennenzulernen - und damit Investitionsentscheidungen erleichtern. Bures wünscht sich fünf weitere solcher Pilotfabriken. Aber das dürfte wohl schon ihrem Nachfolger Alois Stöger anheimfallen. Ob sie die Nachfolge von Barbara Prammer als Nationalratspräsidentin antritt, wollte Bures indes auch in Alpbach nicht sagen.