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Placebos schon im 18. Jahrhundert in Verwendung. | "Teufelsgeiger" zählte zu Anhängern der Homöopathie. | Stuttgart. (dpa) Sie sind klein, weiß, rund und harmlos. Trotzdem spalten Globuli die Nation in Homöopathiebegeisterte und -skeptiker. Mit Vorurteilen aufzuräumen und die wahren Hintergründe der "Mikro-Heilkunst" zu beleuchten, hat sich das "Institut für Geschichte der Medizin" auf die Fahnen geschrieben. Die Einrichtung der Stuttgarter Robert-Bosch-Stiftung sammelt in ihren Räumen bedeutsame Handschriften, frühe Medikamente und sogar Haarlocken des Homöopathie-Begründers Samuel Hahnemann (1755 bis 1843). Ein Dorado für Verfechter der alternativen Heilkunst. "Ist doch alles nur Placebo", lautet vielleicht das am häufigsten bemühte Klischee gegen Homöopathie.
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Wer jedoch die Handschriften studiert, die wohlbehütet im Keller des Instituts lagern, der stellt schnell fest: Hahnemann war nicht nur gelernter Schulmediziner, er hat auch den Placebo-Effekt gekannt und ganz bewusst eingesetzt. "Wenn in den Patientenakten ein Paragrafenzeichen auftaucht, hat er reinen Milchzucker gegeben", erklärt Institutsleiter Professor Robert Jütte. Aber diese Fälle waren die Ausnahme und ein Indiz dafür, dass Hahnemann von der Heilkraft seiner homöopathischen Medikamente überzeugt war.
In dem 1980 gegründeten Institut lagern alte Hausapotheken und Reiseapotheken im Buchformat. Daneben finden sich in den Vitrinen auch Devotionalien wie Haarlocken und Arbeitsgeräte Hahnemanns und Skurriles wie beispielsweise das "Pulver gegen dicke Hälse", das trotz irreführenden Aufdrucks mit Homöopathie nichts zu tun hat. An den Wänden stehen Regale voll bedeutsamer Literatur, und dazwischen schaut - mal streng, mal schelmisch - der Homöopathie-Begründer aus verschiedenen Porträts.
Forschungen zur
Geschichte der Medizin
Authentische Handschriften von Hahnemanns Büchern, Patientenakten und Briefe belegen unter anderem, dass auch der "Teufelsgeiger" Niccolò Paganini (1782 bis 1840) zu den Patienten des Ur-Homöopathen zählte. Noch wichtiger sind aber die medizinischen Erkenntnisse. "Wir können nachvollziehen, wie Hahnemann zu seinen Entscheidungen kam", sagt Jütte. Das habe auch ihm persönlich die Homöopathie näher gebracht.
Die 25 Mitarbeiter der Stiftung pflegen nicht nur die Vitrinen und forschen medizingeschichtlich. Die Sammlung und die Bibliothek mit immerhin rund 30.000 Monographien und Zeitschriften haben eine Strahlkraft weit über Deutschland hinaus. "Nutzer aus der ganzen Welt leihen hier Bücher aus", berichtet Jütte.